Ungeduld des Herzens.
sich diese spielerische Liebkosung, ehrfürchtig und kindlich zugleich, staunend und verschämt. Und doch spürte ich, daß die Liebende in diesem einen hingegebenen Stück meines Ichs mich ganz umfing. Unwillkürlich hatte sich ihr Kopf tiefer in den Fauteuil zurückgelehnt, gleichsam um diese Berührung lustvoller zu genießen; wie eine Schlafende lag sie da, wie eine Träumende, die Augen geschlossen, die Lippen weich geöffnet, und einvollkommenes Ausruhen beschwichtigte und beglänzte zugleich ihr Antlitz, während immer und immer wieder, mit immer erneuter Beseligung, ihre zärtlichen Finger meine Hand von der Wurzel bis zu den Fingerspitzen umfuhren. Keinerlei Gier war in diesem innigen Berühren, nur eine stille, eine staunende Beglückung, endlich etwas von meinem Körper flüchtig besitzen zu dürfen und ihm unermeßliche Liebe zu bekunden; in keiner Umarmung einer Frau, selbst der glühendsten nicht, habe ich seither Zärtlichkeit mehr so erschütternd empfunden als in diesem zarten, beinahe träumerischen Spiel.
Wie lange dies dauerte, weiß ich nicht. Solche Erlebnisse sind jenseits der gewöhnlichen Zeit; es ging etwas Betäubendes, Betörendes, Hypnotisches von diesem scheuen Streifen und Streicheln aus, das mich mehr erregte und erschütterte als damals jener jähe, brennende Kuß. Noch immer fand ich nicht die Kraft, die Hand zurückzuziehen – »nur dulden sollst du meine Liebe«, erinnerte ich mich – ich genoß in einer dumpfen Traumhaftigkeit dies ständige Rieseln über meiner Haut bis in die Nerven und ließ es geschehen, machtlos, wehrlos und doch zugleich im Unterbewußtsein beschämt, so über alles Maß geliebt zu werden und meinerseits nichts zu empfinden als eine wirre Scheu, einen verlegenen Schauer.
Allmählich aber ward mir meine eigene Starre unerträglich – nicht die Liebkosung ermüdete, nicht das warme Gehen und Wandern der zärtlichen Finger, die hauchende und scheue Berührung, sondern es quälte mich, daß meine Hand dermaßen tot dort lag, als ob sie nicht zu mir gehörte, und dieser Mensch, der sie liebkoste, nicht zu meinem Leben. Ich wußte, wie man im Halbschlaf die Glocken hört von den Türmen, daß ich irgendeine Antwort geben mußte, – entweder mich dieser Liebkosung erwehren oder sie meinerseits erwidern.Aber nicht zum einen und nicht zum andern hatte ich die Kraft: nur ein Ende machen diesem gefährlichen Spiel, drängte es mich, und so schaltete ich vorsichtig die Muskeln an. Langsam, langsam, ganz langsam begann ich meine Hand aus der leichten Umstrickung loszulösen – unmerklich, wie ich hoffte. Aber die Empfindliche merkte sofort, noch ehe ich selbst darum wußte, dies beginnende Zurücknehmen; mit einem Ruck gab sie meine Hand gleichsam erschrocken frei. Die Finger fielen wie welk ab, plötzlich war die rieselnde Wärme fort von meiner Haut. Etwas verlegen nahm ich die verlassene Hand wieder an mich. Denn gleichzeitig hatte Ediths Gesicht sich verdunkelt, abermals begann das kindisch schmollende Zucken um die Mundwinkel.
»Nicht! nicht!« flüsterte ich ihr zu, ich fand kein anderes Wort. »Ilona muß gleich kommen.« Und da ich sah, daß sie bei diesen leeren, kraftlosen Worten nur noch heftiger zu zittern begann, faßte mich wieder jenes jäh aufbrennende Mitleid. Ich beugte mich zu ihr nieder und küßte sie mit fliehender Berührung auf die Stirn.
Aber streng, grau und abwehrend starrten ihre Pupillen mich an und gleichsam durch mich hindurch, als könnten sie die Gedanken hinter meiner Stirne erraten. Ich hatte ihr hellsichtiges Gefühl nicht zu täuschen vermocht. Sie hatte gemerkt, daß ich mich selbst mit der flüchtenden Hand ihrer Zärtlichkeit entzogen und daß dieser hastige Kuß nicht wirkliche Liebe, sondern bloß Verlegenheit und Mitleid gewesen war.
Das blieb mein Fehler in diesen Tagen, mein irreparabler, mein unverzeihlicher Fehler, daß ich trotz allem leidenschaftlichen Bemühen nicht die äußerste Geduld aufbrachte, nicht die letzte Kraft, mich zu verstellen. Vergebens hatte ich mir vorgenommen, mit keinem Wort,keinem Blick, keiner Geste ahnen zu lassen, daß ihre Zärtlichkeit mich bedrückte. Immer und immer wieder brachte ich mir Condors Warnung zum Bewußtsein, welche Gefährdung, welche Verantwortung ich verschuldete, wenn ich diese Verletzliche verletzte. Laß dich lieben von ihr, sagte ich mir immer wieder, verbirg dich, verstell dich diese acht Tage lang, um ihren Stolz zu schonen. Laß sie nicht ahnen, daß du sie
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