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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Stückeln mehr aufspielen. Bravo, Toni, meinen Respekt!«
    So reite ich, von den Kameraden stürmisch applaudiert, aus der Manege und führe, die Zügel knapp haltend, den abgekämpften Gaul durch die Stadt und dann auf die Wiesen hinaus. Leicht und locker geht das Pferd, leicht und locker fühle ich mich selbst. Meine ganze Wut und Erbitterung habe ich in dieser angestrengten Stunde in das widerspenstige Tier hineingedroschen; nun trabt Cäsar fromm und unkriegerisch, und ich muß Steinhübel rechtgeben: er hat wirklich einen famosen Gang. Schöner, schwingender, geschmeidiger kann man nicht galoppieren; allmählich weicht mein ursprünglicher Unmut einem genießerischen und fast träumerischen Behagen. Eine gute Stunde tummle ich den Gaul hin und her, schließlich, um halb fünf, heißt es, langsam zurück. Wir haben beide, Cäsar und ich, für heute genug. In bequememschaukelndem Trott trabe ich über die wohlbekannte Chaussee wieder zur Stadt zurück, selber schon ein bißchen schummrig. Da, hinter mir, ein Hupensignal, laut und scharf. Sofort spitzt der nervöse Fuchs die Ohren und beginnt zu zittern. Aber ich spüre rechtzeitig das Flattrige, das den Gaul überkommt, fasse die Zügel kurz und drücke ihn mit den Schenkeln von der Mitte der Straße ganz an den Rand neben einen Baum, damit das Auto ungehindert passieren kann.
    Das Auto muß einen rücksichtsvollen Chauffeur haben, der mein behutsames Zur-Seite-Voltigieren richtig versteht. Ganz langsam, man hört kaum den Motor töffen, steuert er im sachtesten Tempo heran; es ist eigentlich fast überflüssig, daß ich so scharf auf das zitternde Pferd achte und die Schenkel straff anpresse, jeden Moment eines Seitensprungs oder Rückprellens gewärtig, denn als der Wagen jetzt an uns vorbeikommt, steht das Tier leidlich still. Ich kann ruhig aufschauen. Aber in der Sekunde, da ich meinen Blick hebe, gewahre ich, daß jemand aus dem offenen Auto mir zuwinkt, und ich erkenne den runden Glatzkopf Condors neben dem eiförmigen, von dünnem Haar weiß beschatteten Schädel Kekesfalvas.
    Ich weiß nicht, zittert das Pferd unter mir oder zittere ich selbst? Was bedeutet das? Condor hier, und er hat mich nicht verständigt? Er muß bei den Kekesfalvas gewesen sein, der Alte saß ja neben ihm im Wagen! Aber warum halten sie nicht an, um mich zu begrüßen? Warum sausen die beiden so fremd an mir vorbei? Und wieso kommt Condor auf einmal wieder heraus? Zwei bis vier – da hat er doch sonst in Wien Ordination. Sie müssen ihn besonders dringend berufen haben und zwar schon frühmorgens. Da muß etwas geschehen sein. Gewiß hängt das mit dem Telephonanruf Ilonas zusammen, daß sie die Reise verschieben müssen und ich heute nicht hinauskommensolle. Unbedingt, etwas muß geschehen sein, etwas, das man mir verschweigt! Am Ende hat sie sich etwas angetan – gestern abend, da war so etwas Entschlossenes in ihrem Wesen, eine so höhnische Sicherheit, wie sie ein Mensch nur hat, wenn er etwas Böses, etwas Gefährliches plant. Gewiß hat sie sich etwas angetan! Ob ich nicht doch nachgaloppieren soll, vielleicht erreiche ich Condor noch auf dem Bahnhof!
    Aber vielleicht – besinne ich mich rasch – ist er noch gar nicht abgereist. Nein, keinesfalls wird er zurückfahren, wenn wirklich etwas Schlimmes geschehen ist, ohne mir eine Botschaft zu hinterlassen. Vielleicht liegt eine Zeile von ihm in der Kaserne. Dieser Mensch, das weiß ich, tut nichts Heimliches ohne mich, gegen mich. Dieser Mensch läßt mich nicht im Stich. Nur jetzt rasch hinein! Zuverlässig wird das Wort, ein Brief, ein Zettel von ihm bei mir zu Hause sein oder er selbst. Nur rasch zurück!
    In der Kaserne stelle ich eiligst das Pferd ein und laufe, um allem Geschwätz und Gratulieren auszuweichen, die Nebentreppe hinauf. Tatsächlich – vor meiner Zimmertür wartet schon Kusma; an seinem ängstlichen Gesicht, seinen gedrückten Schultern merke ich: etwas ist los. Ein Herr in Zivil warte in meinem Zimmer, meldet er mit einer gewissen Bestürzung, er habe sich nicht getraut, den Herrn abzuweisen, weil es ihm gar so dringlich gewesen. Nun hat Kusma eigentlich strengen Auftrag, niemanden in mein Zimmer zu lassen. Aber wahrscheinlich hat ihm Condor ein Trinkgeld gegeben – darum Kusmas Angst und Unsicherheit, die jedoch rasch in Verwunderung umschlägt, als ich, statt ihn auszuschelten, nur ein joviales »Schon recht«, murmle und auf die Tür losfahre. Gott sei Dank, Condor ist gekommen! Er wird mir alles

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