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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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werde noch verrückt davon.
    Ich muß mich zurückhalten, um die Wut, die mich innerlich gepackt hat, nicht zu verraten. Am liebsten möchte ich die Gläser nehmen und zwischen den Fingern zerbrechen oder mit der Faust auf den Tisch schlagen; irgend etwas Gewaltsames muß ich unbedingt tun, spüre ich, um diese Spannung loszuwerden. Nur nicht so wehrlos sitzen und zapplig warten, ob sie wieder schreiben und telephonieren, ob sie verschieben oder nicht verschieben. Ich kann einfach nicht mehr. Ich muß etwas tun.
    Gegenüber diskutieren die Kameraden unterdes noch gleich aufgeregt. »Und ich sag dir«, höhnt der magere Jozsi, »der Neutitscheiner hat dich von oben bis unten angeschmiert. Ich versteh auch was von Rössern, mit dem Luder wirst nicht fertig, das kriegt keiner herum.«
    »So? Das möcht ich sehn«, fahre ich plötzlich in das Gespräch hinein. »Das möcht ich sehn, ob man mit so einem Gaul nicht fertig wird. Sag, Steinhübel, hättst was dagegen, daß ich mir deinen Fuchs jetzt vornehm auf eine Stund oder zwei und ihm Salz und Pfeffer geb, bis er pariert?«
    Ich weiß nicht, wie mir der Gedanke gekommen war. Aber das Bedürfnis, meinen Zorn auszulassen gegen irgend jemanden oder irgend etwas, zu raufen, mich herumzuschlagen, steckte so fiebrig in mir, daß es gierig diesen ersten zufälligen Anlaß ansprang. Alle blickten erstaunt auf mich.
    »A la bonheur«, lacht Graf Steinhübel, »wenn'st Courasch hast, tust mir sogar einen G'fallen damit. Ich hab heute geradezu einen Krampf in die Finger gekriegt, so hab ich das Viech herumreißen müssen; wär schon gut, wenn jemand Frischer über den Racker käm. Wenn's dirrecht ist, können wir's gleich angehn! Vorwärts, kommt's!«
    Alle springen im guten Vorgefühl einer rechten »Hetz« auf. Wir gehen in den Stall, um den »Cäsar« herauszuholen – diesen unbesieglichen Namen hat Steinhübel vielleicht etwas voreilig seinem verwegenen Gaul erteilt. Cäsar kommt es gleich etwas unheimlich vor, daß wir uns in so gesprächiger Rotte um die Box versammeln. Er schnobert und ruckt und tänzelt im engen Raum hin und her, er zerrt am Halfter, daß die Balken krachen. Nicht ohne Mühe manövrieren wir das mißtrauische Tier in die Reitschule hinein.
    Im allgemeinen war ich nur ein mittelguter Reiter und einem passionierten Kavalleristen wie etwa Steinhübel nicht im entferntesten gewachsen. Heute jedoch hätte er niemand besseren finden können als mich und der unbändige Cäsar keinen gefährlicheren Gegner. Denn diesmal straffte der Zorn mir die Muskeln; die böse Lust, mit etwas fertigzuwerden, etwas unterzukriegen, machte es mir zu einem fast sadistischen Vergnügen, wenigstens diesem stützigen Tier (gegen das Unerreichbare kann man ja nicht losschlagen!) zu zeigen, daß meine Geduld Grenzen hat. Es half dem wackeren Cäsar wenig, daß er wie eine Rakete herumstob, mit den Hufen an die Wände polterte, sich bäumte und mit jähen Quersprüngen versuchte, mich herunterzukriegen. Ich war nun einmal in Saft und riß unbarmherzig die Trense an, als wollte ich ihm alle Zähne ausbrechen, ich krachte ihm die Absätze in die Rippen, und bei dieser Behandlung vergingen ihm bald die Mucken. Mich reizte, mich lockte, mich begeisterte sein harter Widerstand, und gleichzeitig feuerten mich die zustimmenden Bemerkungen der Offiziere »Donnerwetter, der gibt's ihm!« oder »Da schaut's den Hofmiller an« zu immer couragierterer Sicherheit an. Immer geht ja von körperlicher Leistung das Selbstgefühlins Seelische über; nach einer halben Stunde rücksichtslosen Raufens saß ich schon siegreich im Sattel, und unter mir knirscht und dampft und trieft das gedemütigte Tier, als käme es aus einer heißen Dusche. Der Hals und das Lederzeug flocken weiß von Schaumspritzern, fügsam ducken sich die Ohren, und nach abermals einer halben Stunde geht der Unbesiegbare schon weich und gehorsam, wie ich will; ich brauche die Schenkel gar nicht mehr anzupressen und könnte jetzt ruhig absitzen, um mir von den Kameraden gratulieren zu lassen. Aber noch immer steckt zu viel Rauflust in mir, und ich fühle mich so wohl in dem gesteigerten Zustand der Anstrengung, daß ich Steinhübel bitte, jetzt noch auf eine Stunde oder zwei hinausreiten zu dürfen zum Exerzierplatz, im Trab natürlich, damit sich das abgeschwitzte Tier ein bißchen auskühlen könne.
    »Aber gern«, nickt Steinhübel mir lachend zu. »Das seh ich schon, du bringst ihn mir tadellos zurück. Der wird jetzt keine solche

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