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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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erzählen.
    Hastig habe ich die Tür aufgestoßen, und sofort regtsich, wie aus dem Schatten herausgewachsen, im äußersten Ende des verdunkelten Raumes (Kusma hat die Rolläden der Hitze wegen herabgelassen) eine Gestalt. Schon will ich Condor herzlich entgegen, da erkenne ich – das ist doch gar nicht Condor. Es ist jemand anderer, der hier auf mich wartet, und gerade der Mensch, den ich am wenigsten hier erwartet hätte. Es ist Kekesfalva: auch wenn das Dunkel noch dichter wäre, würde ich ihn unter Tausenden an seinem verschüchterten Aufstehen und Sicherverbeugen erkennen. Und noch ehe er räuspernd zum Sprechen ansetzt, weiß ich schon den demütigen, den erschütterten Ton seiner Stimme voraus.
    »Entschuldigen Sie, Herr Leutnant«, verbeugt er sich, »daß ich unangemeldet bei Ihnen eingedrungen bin. Aber Doktor Condor hat mir aufgetragen, Ihnen seine speziellen Grüße zu überbringen, und Sie sollen verzeihen, daß er das Auto nicht anhalten ließ ... es war schon höchste Zeit, er mußte unbedingt den Wiener Schnellzug erreichen, weil er dort abends ... und ... und ... darum bat er mich, Ihnen gleich auszurichten, wie leid es ihm tat ... Nur darum ... ich meine, nur darum habe ich mir erlaubt, selbst zu Ihnen heraufzukommen ...«
    Er steht vor mir, den Kopf gesenkt wie unter einem unsichtbaren Joch. Im Dunkeln schimmert der knochige Schädel mit dem dünnen gescheitelten Haar. Die völlig unnötige Servilität seiner Haltung beginnt mich zu erbittern. Untrüglich sagt mir ein Unbehagen: hinter diesem verlegenen Herumgerede steckt eine bestimmte Absicht. Bloß um gleichgültige Grüße zu bestellen, klettert ein alter, herzkranker Mann nicht drei Stockwerke hinauf. Diese Grüße hätten sich ebensogut telephonisch übermitteln oder bis morgen aufsparen lassen. Achtung! sage ich mir, dieser Kekesfalva will etwas von dir. Schon einmal ist er so aus dem Dunkel vorgebrochen; demütig wie ein Bettler beginnt er und preßt dir schließlich seinen Willenauf wie der Djinn deines Traumes dem Mitleidigen. Nicht ihm nachgeben! Nicht dich einfangen lassen! Nichts fragen, nach nichts dich erkundigen, möglichst bald ihn verabschieden und hinabbegleiten!
    Aber der da vor mir steht, ist ein alter Mann, und sein Kopf ist demütig gebeugt. Ich sehe seinen dünnen weißen Scheitel; wie aus einem Traum erinnere ich mich an jenen meiner Großmutter, wenn sie über dem Strickzeug uns kleinen Geschwistern Märchen erzählte. Einen alten, kranken Mann kann man doch nicht unhöflich wegweisen. So deute ich, unbelehrbar durch alle Erfahrung, auf den Stuhl hin:
    »Zu liebenswürdig, Herr von Kekesfalva, daß Sie sich bemüht haben! Wirklich, zu freundlich von Ihnen! Wollen Sie nicht Platz nehmen?«
    Kekesfalva antwortet nicht. Er hat wohl nicht deutlich gehört. Aber er hat wenigstens die Geste meiner Hand verstanden. Zaghaft schiebt er sich an den äußersten Rand des angebotenen Stuhls. So verschüchtert muß er, erinnere ich mich blitzartig, in seiner Jugend als Kostgänger am Freitisch fremder Menschen gesessen haben. Und so sitzt er jetzt, der Millionär, bei mir auf dem armseligen abgebrauchten Rohrsessel. Umständlich nimmt er die Brille ab, kramt das Tuch aus der Tasche und beginnt die beiden Gläser zu putzen. Aber mein Lieber, ich bin schon gewitzigt, ich kenne dieses Putzen schon, ich kenne deine Tricks! Ich weiß, du putzt an den Gläsern, um Zeit zu gewinnen. Du möchtest, daß ich das Gespräch beginne, daß ich frage, und ich weiß sogar, was du gefragt werden möchtest – ob Edith wirklich krank ist und warum die Abreise verschoben werden soll. Aber ich bleibe auf meiner Hut. Fang du an, wenn du mir was zu sagen hast! Keinen Schritt geh ich dir entgegen! Nein – ich laß mich nicht neuerdings hineinlocken, – genug mit dem verdammten Mitleid, genug auch mit diesem ewigen Mehrund Mehr! Schluß mit diesen Hinterhältigkeiten und Undurchsichtigkeiten! Wenn du was von mir willst, dann mach's rasch und ehrlich, aber versteck dich nicht hinter dieser einfältigen Brillenputzerei! Ich geh dir nicht mehr auf den Leim, ich hab mein Mitleid satt!
    Der alte Mann legt, als hätte er die ungesprochenen Worte hinter meinen verschlossenen Lippen vernommen, endlich die blankgescheuerte Brille resigniert vor sich hin. Er spürt offenbar schon, daß ich ihm nicht helfen will und er selber beginnen müsse; beharrlich das Haupt gebeugt, hebt er zu sprechen an, ohne den Blick zu mir herüber zu wenden. Nur zu dem Tisch redet er

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