Ungeduld des Herzens.
ich.
»Nein, nein ... ich glaube nur, wir lassen sie lieber heute ausruhen, und dann ...« – sie zögert merkwürdig lange – »und dann ... es kommt ja jetzt auf einen Tag nicht so an. Wir müssen doch ... wir werden doch die Abreise noch verschieben müssen.«
»Verschieben?« Ich muß es ganz ängstlich gefragt haben, denn sie setzt hastig hinzu:
»Ja ... aber wir hoffen, bloß um ein paar Tage ... übrigens, das besprechen wir morgen oder übermorgen ... vielleicht telephoniere ich Ihnen noch inzwischen ... ich wollte Ihnen jedenfalls das nur rasch ausrichten ... also heute lieber nicht und ... und ... alles Gute und auf Wiedersehen!«
»Ja, aber ...«, stammle ich in den Apparat hinein. Doch es kommt keine Antwort mehr. Ich horche noch ein paarSekunden. Nein, keine Antwort. Sie hat abgehängt. Merkwürdig – warum hat sie so eilig das Gespräch abgebrochen? So rasch, als fürchte sie, weiter gefragt zu werden. Das muß etwas zu bedeuten haben ... Und warum überhaupt verschieben? Warum die Abreise verschieben, es war doch alles genau auf den Tag bestimmt? Acht Tage, hat Condor gesagt. Acht Tage, ich habe mich innerlich schon völlig darauf eingestellt und soll jetzt wieder ... unmöglich ... das ist doch unmöglich ... das halt ich nicht aus, dieses ewige Auf und Ab ... man hat doch auch seine Nerven ... Ich muß schließlich einmal zu meiner Ruhe kommen ...
Ist es wirklich so heiß in dieser Telephonzelle? Wie ein Erstickender reiße ich die Polstertür auf und tappe zurück an meinen Platz. Man hat mein Aufstehen und Weggehen anscheinend nicht bemerkt. Noch immer streiten und spotten die andern heftig mit Steinhübel herum, und neben meinem leeren Stuhl steht, beharrlich wartend, die Ordonnanz mit der Bratenschüssel. Mechanisch, um den Burschen rasch fortzuhaben, lege ich mir zwei, drei Schnitten auf den Teller, aber ich fasse weder Gabel noch Messer, denn zwischen den Schläfen hat ein so heftiges Ticken begonnen, als meißelte ein kleiner Hammer die Worte unbarmherzig in die innere Knochenwand: »Verschieben! Die Abreise verschieben!« Das muß doch einen Grund haben. Gewiß ist etwas geschehen. Ist sie ernstlich erkrankt? Habe ich sie beleidigt? Warum will sie auf einmal nicht weg? Condor hat mir doch versprochen, nur acht Tage müsse ich standhalten, und fünf habe ich schon durchgekämpft ... Aber länger kann ich nicht mehr ... ich kann einfach nicht!
»No, was spinnst denn, Toni? Unser Rostbratel gustiert dir, scheint's, nicht recht. Na ja, da sieht man's, das kommt davon, wenn man sich so nobel g'wöhnt. Ich sag's ja immer, bei uns is ihm nix mehr fein genug.«
Immer dieser verdammte Ferencz mit seinem gutmütigen, pappigen Lachen, immer diese dreckigen Anspielungen, als schmarotzte ich mich draußen an!
»Zum Teufel, laß mich in Ruh mit deinen blöden Witzen!« fahre ich ihn an. Meine ganze aufgestaute Wut muß mir in die Stimme geraten sein, denn von gegenüber schauen die zwei Fähnriche ganz erstaunt auf. Ferencz legt Gabel und Messer nieder.
»Du Toni«, sagt er drohend, »diesen Ton verbitt ich mir. Man wird bei der Menasch vielleicht noch seine Spassetteln machen dürfen. Ob's dir woanders besser schmeckt, da hast recht, das ist deine Sach, das geht mich nix an. Aber an unserm Tisch werd ich mir noch erlauben dürfen, zu bemerken, daß d' unser Mittagessen stehnläßt.«
Die Nächstsitzenden blicken interessiert auf uns beide. Das Klappern und Stochern auf den Tellern ist auf einmal leiser geworden. Sogar der Major kneift seine Augen zusammen und blickt scharf herüber. Ich sehe, daß es höchste Zeit ist, meine Unbeherrschtheit gutzumachen.
»Und du, Ferencz«, antworte ich, mich zu einem Lachen zwingend, »wirst gütigst erlauben, daß ich einmal Schädelweh hab und mich nicht extra fühl.«
Sofort lenkt Ferencz ein. »O pardon, Toni, wer kann dös spannen? Ja wirklich, du siehst gediegen mies aus. Schon ein paar Tag spür ich, mit dir is was nicht extra. Na – wirst dich schon wieder zusammenrappeln, um dich hab ich keine Sorg'.«
Der Zwischenfall ist glücklich beigelegt. Aber in mir fiebert der Zorn weiter. Was treiben die da draußen mit mir? Hin und her, herauf und herunter, kalt und warm – nein, ich lasse mich nicht so hetzen! Drei Tage habe ich gesagt, dreieinhalb Tage und keine Stunde mehr! Und ob sie verschieben oder nicht verschieben, ist mir egal! Ich laßmir nicht länger die Nerven zerreißen, mich nicht länger quälen durch das verfluchte Mitleid. Ich
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