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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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gegen die zärtliche Empfindung, man nahm das Gefühl einer Neigung ohne Scham und mit reinem Dank.
    Und dann saßen wir bei Tisch. Die silbernen Girandolen leuchteten im Kerzenschein, und die Blumen entstiegen den Vasen wie farbige Flammen. Von Spiegel zu Spiegel grüßte sich das Licht des kristallenen Lüsters, rings schwieg, wie eine Muschel dunkel gewölbt um ihre leuchtende Perle, das Haus. Manchmal meinte ich zu hören, wie draußen die Bäume still atmeten und der Wind warm und wollüstig über die Gräser strich, denn Duft wehte herein durch die geöffneten Fenster. Alles war schöner und besser als je; wie ein Priester saß der alte Mann, aufrecht und feierlich, nie hatte ich Edith, nie Ilona so heiter und jung gesehen, nie hatte so weiß die Hemdbrust des Dieners geglänzt, nie die glatte Haut der Früchte so bunt geglüht. Und wir saßen und aßen und tranken und sprachen und freuten uns der wiedergewonnenen Eintracht. Unbekümmert wie ein zwitschernder Vogel flog Lachen von einem zum andern, in spielender Welle flutete und ebbte die Heiterkeit auf und nieder. Nur als der Diener die Gläser mit Champagner füllte und ich als erster Edith das Glas entgegenhob: »Auf Ihre Gesundheit!« wurden plötzlich alle still.
    »Ja, gesund werden«, atmete sie und sah mich gläubig an, als hätte mein Wunsch Macht über Leben und Tod. »Gesund für dich.«
    »Gott gebe es!« Der Vater war aufgestanden, er konnte nicht an sich halten. Die Tränen feuchteten ihm die Brille, er nahm sie ab und putzte umständlich daran herum. Ich spürte, daß seine Hände sich kaum zähmen konnten, mich zu berühren, und ich weigerte mich nicht. Auch ich fühltedas Bedürfnis, ihm dankbar zu sein, ich trat an ihn heran und umarmte ihn, daß sein Bart meine Wange streifte. Als er sich von mir löste, merkte ich, daß Edith auf mich blickte. Ihre Lippen bebten leicht; ich ahnte, wie sehr die halb aufgetanen Lippen sich nach gleich inniger Berührung sehnten. So beugte ich mich rasch zu ihr nieder und küßte ihren Mund.
    Das war das Verlöbnis. Ich hatte die Liebende nicht nach bewußter Überlegung geküßt – eine reine Ergriffenheit hatte es für mich getan. Es war mir geschehen ohne Wissen und Wollen; aber ich bereute die kleine, die reine Zärtlichkeit nicht. Denn nicht drängte sie mir wild wie damals die pochende Brust entgegen, nicht hielt die vor Glück Erglühende mich fest. Demütig, wie ein großes Geschenk, nahmen ihre Lippen die meinen. Die andern schwiegen. Da kam aus der Ecke ein schüchternes Geräusch. Ein verlegenes Räuspern schien es zuerst, aber als wir aufblickten, war es der Diener, der in der Ecke leise schluchzte. Er hatte die Flasche hingestellt und sich abgewandt; wir sollten seine ungehörige Ergriffenheit nicht merken, aber jeder von uns fühlte diese fremden unbeholfenen Tränen warm im eigenen Auge. Auf einmal spürte ich Ediths Hand an der meinen. »Laß sie mir einen Augenblick.«
    Ich wußte nicht, was sie beabsichtigte. Da schob sich etwas Kühles und Glattes an meinen vierten Finger. Es war ein Ring. »Damit du an mich denkst, wenn ich fort bin«, entschuldigte sie sich. Ich blickte den Ring nicht an; ich nahm nur ihre Hand und küßte sie.
    An jenem Abend war ich Gott. Ich hatte die Welt erschaffen, und siehe, sie war voll Güte und Gerechtigkeit. Ich hatte einen Menschen erschaffen, seine Stirn glänzte rein wie der Morgen und in seinen Augen spiegeltesich der Regenbogen des Glücks. Ich hatte die Tafel gedeckt mit Reichtum und Fülle, ich hatte die Früchte gezeitigt, den Wein und die Speisen. Herrlich gehäuft boten diese Zeugen meines Überflusses sich mir wie Opfergaben dar, sie kamen in blinkenden Schüsseln und in fülligen Körben, und es blitzte der Wein, es blinkten die Früchte, süß und köstlich boten sie sich meinem Mund. Ich hatte Licht getan in die Stube und Licht in das Herz der Menschen. In den Gläsern funkelte die Sonne des Lüsters, wie Schnee glänzte der weiße Damast, und ich fühlte mit Stolz, die Menschen liebten dies Licht, das von mir ausging, und ich nahm ihre Liebe und berauschte mich an ihr. Sie boten mir Wein, und ich trank ihn bis zur Neige. Sie boten mir Früchte und Speisen, und ich erfreute mich ihrer Gaben. Sie boten mir Ehrfurcht und Dankbarkeit, und wie Speiseopfer und Trankopfer nahm ich ihre Huldigung hin.
    An jenem Abend war ich Gott. Aber ich blickte nicht kühl vom erhobenen Throne auf meine Werke und Taten; leutselig und mild saß ich inmitten meiner

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