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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Geschöpfe, und wie durch den silbernen Rauch meiner Wolken nahm ich verschwommen ihr Antlitz wahr. Zu meiner Linken saß ein alter Mann; das große Licht der Güte, das ausging von mir, hatte die Falten geglättet auf seiner zerfurchten Stirne und die Schatten gelöscht, die seine Augen verdunkelt; ich hatte den Tod von ihm genommen, und er sprach mit auferstandener Stimme, dankbar des Wunders gewärtig, das ich an ihm vollbracht. Neben mir saß ein Mädchen, und sie war eine Kranke gewesen, gefesselt und geknechtet und schlimm in die eigene Wirrsal verstrickt. Aber nun umglänzte sie der Schein der Genesung. Mit dem Hauch meiner Lippen hatte ich sie aus der Hölle der Ängste erhoben in die Himmel der Liebe, und es funkelte ihr Ring an meinem Finger wie der Morgenstern. Ihr gegenüber saß ein anderes Mädchen, auch sie dankbarlächelnd, denn ich hatte ihr Schönheit in das Antlitz getan und den dunklen duftenden Wald des Haars um ihre schimmernde Stirn. Alle hatte ich sie beschenkt und erhoben durch das Wunder meiner Gegenwart, alle trugen sie mein Licht in den Augen; wenn sie einander ansahen, war ich das Leuchten in ihrem Blick. Wenn sie zusammen sprachen, war Ich und nur Ich der Sinn ihres Worts, und selbst wenn wir schwiegen, weilte Ich in ihren Gedanken. Denn ich und nur ich war der Anfang, die Mitte und der Ursprung ihres Glücks; wenn sie einander rühmten, so rühmten sie mich, und wenn sie einander liebten, so meinten sie mich als den Schöpfer aller Liebe. Ich aber saß in ihrer Mitte, froh meiner Werke, und sah, daß es gut war, gütig gewesen zu sein zu meinen Geschöpfen. Und großmütig trank ich zugleich mit dem Wein ihre Liebe und genoß mit den Speisen ihr Glück.
    An jenem Abend war ich Gott. Ich hatte die Wasser der Unruhe besänftigt und das Dunkel aus den Herzen hinweggetan. Aber auch aus mir selbst hatte ich die Angst genommen, geruhig war meine Seele, wie sie niemals vordem gewesen in all meiner Zeit. Erst als der Abend sich neigte und ich aufstand vom Tisch, begann eine leise Trauer in mir, Gottes ewige Trauer am siebenten Tag, da er sein Werk zu Ende getan, und diese meine Trauer spiegelte sich in ihren entleerten Gesichtern. Denn nun kam der Abschied. Alle waren wir sonderbar erregt, als wüßten wir, daß etwas Unvergleichliches nun zu Ende gehe, eine jener seltenen schwerelosen Stunden, die wie Wolken nicht wiederkehren. Mir selbst wurde zum erstenmal bange, das Mädchen zu verlassen; wie ein Liebender verzögerte ich den Abschied von ihr, die mich liebte. Wie gut wäre es, dachte ich, noch an ihrem Bette zu sitzen, immer wieder die zarte schüchterne Hand zu streicheln, immer wieder dies rosige Lächeln des Glücks sie überleuchten zu sehen. Aber es war spät. So umfing ich sie nurrasch und küßte ihren Mund. Ich fühlte sie dabei den Atem anhalten, als wollte sie die Wärme des meinen für immer bewahren. Dann trat ich zur Tür, der Vater begleitete mich. Ein letzter Blick noch, ein Gruß, und dann ging ich, frei und sicher, wie man immer geht von einem gelungenen Werk, von einer verdienstvollen Tat.
     
    Ich ging die paar Schritte hinaus in den Vorraum, wo der Diener mit Kappe und Säbel schon bereitstand. Aber wäre ich nur rascher gegangen! Wäre ich nur rücksichtsloser gewesen! Doch der alte Mann konnte sich noch nicht von mir trennen. Noch einmal faßte er mich, noch einmal streichelte er mir den Arm, um mir noch- und nochmals zu bekunden, wie dankbar er mir sei und was ich für ihn getan. Jetzt könne er beruhigt sterben, das Kind werde geheilt, alles sei jetzt gut, und alles durch mich, nur durch mich. Es wurde mir immer peinlicher, mich so streicheln, mir so schmeicheln zu lassen in Gegenwart des Dieners, der geduldig wartend und gesenkten Haupts danebenstand. Mehrmals hatte ich dem alten Mann schon die Hand zum Abschied geschüttelt, aber immer wieder begann er von neuem. Und ich Narr meines Mitleids, ich stand, ich blieb. Ich fand nicht die Kraft, mich loszureißen, obwohl innen eine dunkle Stimme drängte: genug und zu viel!
    Plötzlich drang unruhiges Lärmen durch die Tür. Ich horchte auf. Im Zimmer nebenan mußte ein Zank begonnen haben, deutlich vernahm man heftige Stimmen in erregtem Gegeneinander; mit Schrecken erkannte ich die streitenden Stimmen Ilonas und Ediths. Die eine schien etwas zu wollen, die andere ihr abzureden. »Ich bitte dich«, vernahm ich deutlich Ilonas Mahnen, »bleib doch«, und schroff dawider Ediths zorniges »Nein, laß mich, laß mich«.

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