Ungeduld des Herzens.
sofort machen und ihr tüchtig zusetzen mit der Angst; die nimmt alles, was man ihr bietet. Die kann nicht rechnen, die hat nie Geld verdient und verdient darum auch nicht, viel Geld zu kriegen. Während sein Hirn mit allen Fibern und Nerven arbeitet, plaudern die Lippen scheinbar anteilnehmend weiter.
›Aber das Schrecklichste sind die Prozesse, da hilft kein Friedlichsein, man kommt aus den ewigen Streitereien nie heraus. Das hat mich auch immer abgeschreckt, irgend einen Besitz zu kaufen. Immer Prozesse, immer Advokaten, immer Verhandlungen und Tagsatzungen und Skandale ... Nein, lieber bescheiden leben, seine Sicherheit haben und sich nicht ärgern müssen. Mit einem solchen Gut glaubt man was zu haben und wird in Wirklichkeit nur der Hetzhund der andern, nie kommt man dabei zur rechten Ruhe. An sich wär's ja wunderbar, dieses Schloß, der schöne alte Besitz ... wunderbar ... aber dazu gehörenStrickleitern von Nerven und eine eiserne Faust, sonst hat man daran nur eine ewige Last ...‹
Sie hört ihm zu, gesenkten Hauptes. Mit einmal hebt sie den Kopf; ein schwerer Seufzer bricht ihr aus innerster Brust: ›Ja, eine schreckliche Last ... wenn ich es nur verkaufen könnte!‹«
Doktor Condor hielt plötzlich inne. »Ich muß hier unterbrechen, Herr Leutnant, um Ihnen klarzumachen, was jener knappe Satz im Leben unseres Freundes bedeutete. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß Kekesfalva mir diese Geschichte in der schwersten Nacht seines Lebens erzählte, in der seine Frau starb, in einem jener Augenblicke also, wie sie jeder Mensch vielleicht nur zwei- oder dreimal in seinem Leben durchmacht – einem jener Augenblicke, da auch der Hinterhältigste das Bedürfnis fühlt, vor einem andern Menschen ganz wahr und nackt wie vor Gott zu stehen. Ich seh ihn noch deutlich vor mir, wir saßen unten im Wartezimmer des Sanatoriums. Er war ganz nah an mich herangerückt und erzählte leise, heftig und aufgeregt in einem Fluß. Ich spürte, er wollte durch dieses unablässige Erzählen vergessen, daß seine Frau oben starb, er betäubte sich selbst mit diesem pausenlosen Weiter und Weiter. Aber bei dieser Stelle seines Berichts, da Fräulein Dietzenhof zu ihm sagte: ›Wenn ich es nur verkaufen könnte!‹ hielt er plötzlich inne. Denken Sie, Herr Leutnant – noch fünfzehn oder sechzehn Jahre später erregte ihn dieser Augenblick, da das ahnungslose alternde Mädchen ihm so impulsiv gestand, daß sie nur rasch, rasch, rasch Kekesfalva verkaufen wollte, derart unheimlich, daß er ganz blaß wurde. Zweimal, dreimal wiederholte er mir den Satz, mit wahrscheinlich genau derselben Betonung: ›Wenn ich es nur verkaufen könnte!‹ Denn jener Leopold Kanitz von damalshatte mit seiner rapiden Apperzeptionsfähigkeit sofort begriffen, daß das große Geschäft seines Lebens ihm geradezu in die Hand fiel und er nichts zu tun brauchte, als zuzugreifen, daß er diesen herrlichen Besitz selbst kaufen könnte, statt ihn bloß zu pachten. Und während er unter gleichmütigem Geplauder sein Erschrecken verbarg, jagten innerlich die Gedanken. Selbstverständlich kaufen, überlegte er, ehe Petrovic einspringt oder der Direktor aus Budapest. Ich darf sie nicht herauslassen. Ich muß ihr den Rückweg sperren. Ich gehe nicht fort, ehe ich nicht Herr auf Kekesfalva bin. Und mit jener geheimnisvollen Doppelschichtigkeit, die unserem Intellekt in manchen gespannten Sekunden gegeben ist, dachte er gleichzeitig für sich, nur für sich, und sprach gleichzeitig mit berechnender Langsamkeit zu ihr im andern, im Gegensinne:
›Verkaufen ... ja natürlich, gnädiges Fräulein, verkaufen kann man immer und alles ... verkaufen ist an sich leicht ... aber gut verkaufen, das ist die Kunst ... Gut verkaufen, darauf kommt es an! Jemand Ehrlichen zu finden, jemanden, der schon das Land kennt, den Boden und die Leute ... jemanden, der Beziehungen hat, gottbehüte nicht einen von diesen Advokaten, die einen doch nur unnütz in Prozesse hetzen wollen ... und dann – sehr wichtig gerade in diesem Fall: bar verkaufen. Jemanden ausfindig machen, der nicht Wechsel und Schuldscheine gibt, um die man sich dann noch Jahre herumschlagen muß ... sicher verkaufen und zum richtigen Preis.‹ (Und dabei rechnete er gleichzeitig: bis viermalhunderttausend Kronen kann ich gehen, bis vierhundertfünfzigtausend höchstens, es sind schließlich die Bilder dabei, die auch ihre fünfzigtausend, vielleicht hunderttausend wert sind, das Haus, das Gestüt ... man müßte nur
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