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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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richtige Papier? Können Sie es verstehen?‹
    ›Selbstverständlich‹, schrak Kanitz auf. ›Gewiß ... also ... der Anwalt verständigt Sie ... der Schätzwert für Kekesfalva betrage hundertneunzigtausend Kronen. Das ist natürlich nur der Schätzwert.‹
    ›Der ... Schätzwert? ... Verzeihen Sie ... aber was versteht man unter Schätzwert?‹
    Jetzt galt es, die Volte zu schlagen, jetzt oder nie! Kanitz rang gewaltsam den Atem nieder. ›Der Schätzwert ... ja, der Schätzwert, mit dem ... mit dem ist es immer eine ungewisse ... eine sehr dubiose Sache ... denn ... denn ... der amtliche Schätzwert entspricht nie völlig dem Verkaufswert. Man kann nie darauf rechnen, das heißt, bestimmt darauf rechnen, den ganzen Schätzwert zu erzielen ... in manchen Fällen natürlich kann man ihn erzielen, in manchen sogar noch mehr ... aber doch nur unter gewissen Umständen ... es bleibt immer eine Art Glücksspiel wie bei jeder Lizitation ... Der Schätzwert bedeutet schließlich nichts als einen Anhaltspunkt, natürlich einen ganz vagen ... zum Beispiel ... man kann zum Beispiel annehmen‹ – Kanitz zitterte: nicht zuwenig jetzt und nicht zuviel! – ›wenn ein Objekt wie dieses hier amtlich aufhundertneunzigtausend Kronen geschätzt ist ... dann kann man immerhin annehmen, daß ... daß ... daß im Verkaufsfall hundertfünfzigtausend jedenfalls zu erzielen sind, jedenfalls! Damit kann man auf jeden Fall rechnen.‹
    ›Wie viel, meinen Sie?‹
    Kanitz dröhnten die Ohren von plötzlich aufpochendem Blut. Merkwürdig heftig hatte sie sich ihm zugewandt und gefragt wie jemand, der seinen Zorn nur noch mit letzter Kraft bändigt. Hatte sie das lügnerische Spiel durchschaut? Ob ich nicht noch rasch höher gehe um fünfzigtausend Kronen? Aber innen sprach eine Stimme: Versuch's! Und er setzte alles auf eine Karte. Er sagte, obwohl seine Pulse wie Paukenschläge ihm an die Schläfen dröhnten, mit bescheidenem Ausdruck:
    ›Ja, das würde ich mir jedenfalls zumuten. Hundertfünfzigtausend Kronen, glaube ich, könnte man dafür unbedingt erzielen.‹
    Aber in diesem Augenblick stockte ihm schon das Herz, und der Puls, der eben noch dröhnende, setzte völlig aus. Denn mit ehrlichster Verwunderung hatte die Ahnungslose neben ihm aufgestaunt:
    › So viel? Glauben Sie wirklich ... so viel? ...‹
    Und Kanitz brauchte einige Zeit, um wieder seine Fassung zu finden. Hart mußte er den Atem zügeln, ehe er mit dem Ton biedermännischer Überzeugung erwidern konnte: ›Ja, gnädiges Fräulein, dafür kann ich mich so gut wie verpflichten. Das wird jedenfalls durchzusetzen sein.‹«
     
    Doktor Condor unterbrach sich neuerdings. Erst meinte ich, er halte nur inne, um eine Zigarre anzuzünden. Aber ich merkte, er war mit einem Mal nervös geworden. Er nahm den Zwicker ab, setzte ihn wieder auf, strich das schüttere Haar wie etwas Lästiges zurück, sah mich an; eswurde ein langer, unruhig prüfender Blick. Dann lehnte er sich mit einem Ruck rücklings in den Sessel.
    »Herr Leutnant, vielleicht habe ich Ihnen schon zuviel anvertraut – jedenfalls mehr, als ich ursprünglich wollte. Aber Sie mißverstehen mich hoffentlich nicht. Wenn ich Ihnen den Trick, mit dem Kekesfalva damals diese ganz ahnungslose Person überspielte, ehrlich mitteilte, geschah das keineswegs, um Sie gegen ihn einzunehmen. Der arme alte Mann, bei dem wir heute zu Nacht gegessen haben, herzkrank und verstört, wie wir ihn sahen, der mir sein Kind anvertraut hat und der den letzten Heller seines Vermögens hingeben würde, um die Arme geheilt zu wissen, dieser Mann ist ja längst nicht mehr der Mensch jenes fragwürdigen Geschäfts, und ich wäre der letzte, ihn heute anzuklagen. Gerade jetzt, da er in seiner Verzweiflung wirklich Hilfe braucht, scheint es mir wichtig, daß Sie von mir die Wahrheit statt von anderen böswilligen Tratsch erfahren. Bitte halten Sie also an einem fest – Kekesfalva (oder vielmehr damals noch Kanitz) war an jenem Tage nicht mit dem Vorsatz nach Kekesfalva gefahren, dieser weltfremden Person das Gut billig abzuschwatzen. Er wollte nur en passant eines seiner kleinen Geschäfte machen und nicht mehr. Jene ungeheure Chance hat ihn geradezu überfallen , und er wäre eben nicht er gewesen, hätte er sie nicht in der gründlichsten Weise ausgenützt. Aber Sie werden ja sehen, daß sich das Blatt dann einigermaßen gewendet hat.
    Ich will nicht zu weitschweifig werden und kürze lieber die Einzelheiten. Nur das will ich Ihnen

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