Ungeheuer an Bord
Die von Dzing so meisterhaft programmierte Beschleunigungsserie hatte einen neuen Zustand von bewegter Materie geschaffen. »Lichtgeschwindigkeitseffekt« hatte der Karn-Roboter diesen Zustand genannt.
Und Tellier war nicht darauf gekommen, dachte Lesbee. Alle Experimente, die der Physiker so mühevoll durchgeführt und aufgezeichnet hatte, waren an der großen Entdeckung vorbeigegangen. Und so war eine Schiffsladung von Menschen für Generationen durch die schwarzen Tiefen des interstellaren Raumes gewandert.
Am anderen Ende des Raumes kam Browne torkelnd auf die Füße und wankte benommen auf das Steuerpult zu.
Er hatte erst wenige Schritte getan, als ihn eine Erkenntnis zu treffen schien. Er blickte auf und starrte wild, bis er Lesbee sah. »Oh!« sagte er.
Lesbee dirigierte einen Traktionsstrahl auf den Kapitän und hielt ihn so an Ort und Stelle fest. Dann sagte er: »Sehr richtig, Sie haben Ihren Feind vor sich. Reden Sie. Wir haben nicht viel Zeit.«
Browne war blaß geworden. Aber der Traktionsstrahl hatte seinen Kopf freigelassen, und so konnte er sagen: »Ich tat, was jede gesetzlich legitimierte Regierung in einem Notfall tut. Ich urteilte Sie wegen Hochverrats ab, nachdem ich ermittelt hatte, woraus er bestand.«
Lesbee dachte plötzlich an Miller, der auf der Brücke war und dies alles beobachten mußte. Hastig ging er auf Browne zu und nahm ihm die Strahlpistole ab. Dann sagte er rauh: »Ich werde Sie mit dem Traktionsstrahl zum Käfig bewegen, und ich würde dem Ersten Offizier Miller von jeglicher Einmischung abraten. Merken Sie sich das, Mr. Miller!«
Aus der Sprechanlage kam keine Antwort.
»Warum zum Käfig?« fragte Browne unbehaglich.
Lesbee antwortete nicht gleich. Er öffnete die Tür zum Vorraum, kehrte zurück und manipulierte die Steuerung des Traktionsstrahls, bis Browne in Position war. Dann zögerte er. Warum hatten die Gedankenimpulse des Karn aufgehört? Er hatte ein ungutes Gefühl, daß etwas ganz und gar nicht in Ordnung sei.
Lesbee schluckte und sagte: »Heben Sie den Deckel!«
Er befreite Brownes rechten Arm. Der Kapitän zog den Riegel und blickte fragend zu Lesbee.
»Schauen Sie hinein!« befahl Lesbee.
Browne sagte wütend: »Sie glauben doch nicht, daß ich da hinein ...« Er brach ab, denn nun hatte er den Deckel ein wenig angehoben und späte hinein. Dann keuchte er: »Er ist fort!«
6.
Lesbee diskutierte das Verschwinden mit Browne. Die Frage, wohin Dzing gekommen sein mochte, war etwas, das er nicht bloß in seinem eigenen Kopf herumwälzen sollte. Er hatte den Kapitän zum Steuerpult dirigiert und auf die Geschwindigkeitsanzeiger gedeutet, und dann, als der ältere Mann begriffen hatte, sagte er einfach: »Was ist passiert? Wohin ist er verschwunden? Und wie konnten wir in so kurzer Zeit auf knapp neunzigtausend Kilometer pro Sekunde beschleunigen?«
Browne stand unbeweglich, weil er nicht anders konnte, und er schien in tiefes Nachdenken versunken. Zuletzt nickte er. »Ja«, sagte er langsam. »Ich weiß, was geschehen ist.«
»Sagen Sie es mir.«
Browne sagte: »Was haben Sie mit mir vor?«
Lesbee starrte ihn einen Moment ungläubig an. »Sie wollen mir diese Information vorenthalten?« fragte er.
»Was sonst?« erwiderte Browne. »Solange ich mein Schicksal nicht kenne, habe ich nichts zu verlieren.«
Lesbee unterdrückte das Verlangen, hinzugehen und seinen Gefangenen zu schlagen. Er sagte: »Ist die durch Ihre Weigerung entstehende Verzögerung nach Ihrer Meinung gefährlich?«
Browne antwortete nicht, aber Schweißperlen rannen über seine Wange. Er wiederholte: »Ich habe nichts zu verlieren.«
Der Ausdruck in Lesbees Gesicht mußte ihn alarmiert haben, denn er fuhr hastig fort: »Hören Sie, Sie brauchen nicht mehr zu konspirieren. In Wirklichkeit wollen Sie nur nach Hause, nicht wahr? Sehen Sie nicht, daß wir es mit dieser neuen Beschleunigungsmethode in ein paar Monaten zurück zur Erde schaffen können?«
»Monate!« sagte Lesbee. »Wen wollen Sie täuschen? Unsere tatsächliche Entfernung von der Erde ist ein Dutzend Lichtjahre. Vielleicht bringen wir es bis auf halbe Lichtgeschwindigkeit, aber selbst dann werden wir vierundzwanzig Jahre brauchen.«
Browne zögerte, dann sagte er: »Also gut, einige Jahre. Aber wenigstens nicht eine Lebenszeit. Wenn Sie mir also versprechen, keine weiteren Ränke gegen mich zu schmieden, werde ich ...«
»Sie werden jetzt reden!« unterbrach Lesbee wütend. »Und wenn Sie es nicht tun,
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