Ungeheuer an Bord
Lesbee sich im Sessel zurück und schloß die Augen. Es war nicht nötig, daß er sein Gewissen erforschte, und er hatte auch nicht das Verlangen, nach rationalen Bemäntelungen für seinen totalen Widerstand gegen eine solche Konzeption zu suchen. Er hatte bereits von dem Gefühl gekostet, das das Kommando brachte. Die Macht schmeckte ihm.
Brownes Leichnam war kaum in seinen Raumanzug gesteckt und nach altem Brauch durch die Luftschleuse dem Universum übergeben worden, durch dessen dunkle Tiefen er bis zum Ende der Zeit treiben würde, da hatte Lesbee bereits die Entdeckung gemacht, daß er die gleichen Gedanken dachte, die Browne ausgesprochen hatte.
Zu diesen gehörten – unter vielen anderen – die Gründe, warum Wahlen an Bord eines Raumschiffes nicht ratsam waren. Lesbee wartete nun, während Elisa ihnen aus einer Kristallkaraffe Wein einschenkte und leise den Raum verließ. Elisa war eine seiner drei Frauen; als die jüngere der zwei jungen Witwen, die Browne hinterlassen hatte und die nach dem Schiffsrecht auf Lesbee übergegangen waren, erfreute sie sich zur Zeit seiner besonderen Gunst.
Dann lachte er grimmig.
»Mein lieber Freund«, sagte er, »wir können alle von Glück sagen, daß die Zeit bei der Geschwindigkeit, die wir jetzt erreicht haben – sie liegt nur knapp unter der Lichtgeschwindigkeit – so stark komprimiert ist. Bei dieser fast fünfhundertfachen Kompression werden alle weiteren Forschungsfahrten und Erkundungen, die wir unternehmen werden, nur ein paar Monate dauern. Im Höchstfall eineinhalb oder zwei Jahre. Unter diesen Umständen glaube ich nicht, daß wir uns das Risiko leisten können, als Folge einer möglichen Wahlniederlage die einzige Person aus dem Kommando gedrängt zu sehen, die die Einzelheiten der neuen Beschleunigungsmethode versteht. Bis ich eine Entscheidung darüber getroffen habe, welche Forschungen wir durchführen und welche Systeme wir aufsuchen werden, halte ich es für richtig, unser Geschwindigkeitspotential geheimzuhalten. Aber ich denke, daß eine andere Person wissen sollte, wo ich diese Informationen dokumentiert habe. Diese Person kann natürlich kein anderer sein als mein Erster Offizier Tellier.«
»Danke«, sagte der andere. Aber er war nachdenklich, als er seinen Wein trank. Nach längerer Pause fuhr er fort: »John, ich glaube, du würdest dich viel besser fühlen, wenn du eine Wahl abhieltest. Ich bin überzeugt, daß du sie gewinnen würdest.«
Lesbee lachte tolerant, schüttelte seinen Kopf. »Ich fürchte, du verstehst die Dynamik des Regierens nicht«, sagte er. »Die Geschichte kennt keine Person, die im Besitz der Macht war und sie ohne zwingende Gründe aus der Hand gab.«
Er schloß mit dem beiläufigen Selbstvertrauen dessen, der sich seiner absoluten Machtstellung sicher ist: »Ich bin nicht anmaßend genug, um eine solche Gesetzmäßigkeit zu durchbrechen!«
Der alte Diktator
Es war ein beunruhigendes, alles durchdringendes Gefühl, eine Androhung kommender Schmerzen, vereint mit dem Beginn des Schmerzes selbst. Der alte Mann sah, daß Dr. Parker ihn entsetzt anstarrte.
»Gott im Himmel, Sir«, sagte der Arzt. »Man hat Ihnen Gift gegeben. Das ist unglaublich!«
Arthur Clagg saß ganz still in seinem Bett, zwei voluminöse Kissen im Rücken, die Augen halb geschlossen, während die Gedanken kamen und gingen. Sein Blick umfaßte den dicklichen, rotgesichtigen Parker, das riesige Schlafzimmer, die hohen Fenster mit den geschlossenen Läden. Zuletzt schüttelte er den Kopf und sagte:
»Wann wird bei einem Mann meines Alters die Krise kommen?«
»In ungefähr vier Tagen. Die Entwicklung ist progressiv. Die Schmerzen nehmen allmählich zu, bis schließlich ein Grad erreicht wird ...«
Der Arzt brach ab und fuhr erregt fort: »Dies ist das schändlichste Verbrechen in der Geschichte der Menschheit! Einen vierundneunzigjährigen Mann zu vergiften! Es ist unfaßbar ...«
Er mußte den verächtlichen Ausdruck in Arthur Claggs Blick bemerkt haben, denn er hielt verwirrt inne. Dann sagte er beschämt:
»Ich bitte um Entschuldigung, Sir.«
Arthur Clagg sagte kalt: »Ich definierte Sie einmal als einen Menschen mit dem Verstand eines Erwachsenen und der emotionalen Kapazität eines Kindes, Doktor. Das scheint noch immer zu stimmen.«
Er machte eine Pause. Er saß im Bett, die kühle Starre des Alters im Gesicht, nachdenklich. Dann sagte er mit sehr präziser, beinahe gravitätisch anmutender Aussprache:
»Sie werden sich
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