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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Arzt?«
    »Einen Moment.« Die Gedanken rasten. Er spürte seinen Schwanz gegen den Reißverschluss der Jeans drängen. »In der Bleicherstraße.«
    »Oh, da sind Sie hier völlig falsch.« Sie kniff kurz die Augen zusammen und rieb sich mit den Fingerkuppen über die Stirn.
    »Ach so? Mist. Das wird knapp. Unser Kleiner ist bei der Oma und wartet, dass wir ihn abholen.« Eine Handbewegung zum Kindersitz auf der Rückbank. Er war ein liebevoller Ehemann und Vater eines kleinen Jungen. »Warten Sie, ich weiß, was wir machen.« Hastig glitten seine Augen von links nach rechts, checkten Straßenrand und Verkehr. Es war niemand in Sicht, aber er würde sich trotzdem beeilen müssen. Jederzeit konnte jemand auftauchen und seinen Plan zunichtemachen. Dann stieg er aus, den ausgebreiteten Stadtplan wie einen Schild in der Linken vor sich her schiebend, ging um das Auto herum zum Bürgersteig und lächelte dabei die ganze Zeit sein schüchternes Lächeln, während die Rechte den Elektroschocker in der Hosentasche fest umklammert hielt.
    Die schrägstehende Sonne verengte seine Pupillen. Er spürte, wie sein Schwanz pulsierte, und grinste ganz kurz.
    Suchendes Erkennen durchflackerte ihre Augen. Er wusste, dass sie jetzt darüber nachdachte, wo sie ihn schon einmal gesehen hatte. Bevor ihr Gehirn sein Gesicht mit den Leuten am Tresen der Arztpraxis von Doktor Levant verknüpfen konnte, war er schon neben ihr, öffnete den Stadtplan und drapierte ihn auf dem Dach des Wagens, sodass eine Hälfte herunterhing.
    »Also, wo ist denn nun diese Bleicherstraße?«

    Abgelenkt, vergaß die Frau die nebulöse Erinnerung an ihre erste Begegnung und blickte auf das ausgebreitete Papier. »Das ist hier…« Suchend rutschte der dunkelrot lackierte Fingernagel über die Karte. »… äh, das ist weiter unten.«
    Der Mann bezwang die atemlose Gier, sich an ihren Rücken zu pressen; sie seine Erregung spüren zu lassen, öffnete stattdessen die Beifahrertür, schob den herabhängenden Teil des Plans darüber, so als wolle er das Papier besser sichtbar machen, und stellte den Elektroschocker dabei auf Kontaktmodus. Es war ein Stinger-Taser, ein pistolenähnliches Gerät mit Abzugshebel, das Elektroschocks bis 50 000 Volt aussenden konnte.
    Blondies Finger schwenkte auf der Suche nach der Bleicherstraße noch immer über das gelb-rote Straßengewirr. Er trat so dicht an ihren Körper, dass er ihr Lilienparfüm riechen konnte. Sie hob den Kopf und blickte zur Seite, um ihn zurechtzuweisen, ihr Blick fiel auf das Navigationsgerät neben dem Lenkrad, und sie öffnete mit einem empörten Zug um die Lippen den Mund, um etwas zu sagen.
    Das leise Knistern war kaum zu hören. Bei seinen Experimenten mit Hunden und Katzen waren die Tiere immer auf der Stelle zusammengebrochen. Einige waren auch nicht wieder aufgestanden. Schnell machte er einen Schritt hinter sie, schob seinen linken Arm unter ihre Achsel und hielt den zuckenden Körper fest, damit er nicht zu Boden fiel. Die zitternden Beine waren durch die geöffnete Tür verborgen. Für einen Außenstehenden musste es wie eine liebvolle Umarmung wirken. En kräftiger Ruck mit beiden Armen und Blondchen fiel schräg auf den Sitz. Eine weitere schnelle Bewegung und die nutzlosen Beine waren auch verstaut.
    Mit einem satten Schmatzen fiel die Tür ins Schloss. Der Mann nahm den Stadtplan vom Autodach, faltete ihn im
Gehen zusammen, stieg ein und fuhr, ohne sich anzuschnallen, los. Die Lähmung würde nicht lange anhalten, und er musste eine unbeobachtete Stelle finden, um seinem Opfer die K.-o.-Tropfen einzuflößen, damit es schlief, bis sie zu Hause waren. Dort konnte er sich in Ruhe auf die nächtliche Jagd vorbereiten.
     
    »Komm, Süße, trink das. Es wird dir guttun.« Er beobachtete, wie ihre Lider flatterten. Nach ein paar Sekunden öffnete Blondie die Augen. Im Dämmerlicht des Kellers erschienen sie fast violett. Sie drehte langsam den Kopf und schaute verwirrt auf die meterlangen Regalreihen, in denen silbrige Konservendosen und Einweckgläser mit undefinierbarem Inhalt exakt nebeneinanderstanden. Doctor Nex beobachtete, nach vorn gebeugt, wie ihr Blick von links nach rechts wanderte, und genoss gleichzeitig den Anblick der ordentlich aufgereihten Lebensmittel. Nicht ein Fünkchen Staub beeinträchtigte das Bild. Er lächelte kurz, dann wurde sein Gesicht wieder ernst. »Nun mach schon, trink.« Die Schnabeltasse verharrte vor ihrem Mund. Noch war seine Stimme gelassen. Blondies Blick

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