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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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hinaus.
    Feines Rascheln und Schaben, Nachttiere auf der Suche nach Nahrung; nichts, was im Entferntesten an einen Menschen erinnerte. Er drehte den Kopf und lächelte seiner Beute zu, während er den Reißverschluss ihrer Handtasche öffnete.
    Susann Weiß. Auf dem Bild in ihrem Ausweis war sie kindlicher, das Gesicht runder, die Haare fransig. Da gefiel sie ihm so, wie sie jetzt aussah, viel besser. Das lange, glatte Seidenhaar würde im Dunkeln silbrig schimmern, wenn sie durch den Wald lief. Er konnte es förmlich vor sich auf- und abwippen sehen.
    Ihr Rock war über die Knie nach oben gerutscht, und er ließ seine Hand hinübergleiten, legte sie auf die warme, straffe Oberfläche, krabbelte Zentimeter für Zentimeter mit den Fingern nach oben, wo es wärmer und wärmer wurde, schlüpfte unter den Spitzensaum ihres Höschens, tastete und streichelte, befühlte die feuchtheiße Haut. Dann rief er sich zur Räson. Noch nicht. Er konnte sich beherrschen, war kein wild drauflosstürmender Stier, sondern ein Genießer. Das Vorhaben und die Ausführung mussten zelebriert werden.
    Susann Weiß, sein zartes Rehkitz, bemerkte von alldem nichts. Nach seinen Berechnungen und den Tests würde sie noch mindestens eine halbe Stunde schlafen, sodass er sich in Ruhe umziehen und die Ausrüstung anlegen konnte.
    Der Mann neigte den Kopf, sah zum Himmel hinauf und betrachtete die Sterne. Manche strahlten ihr gelbliches Licht
still in die Schwärze hinaus, andere schienen zu pulsieren, wurden heller und verblichen wieder.
    Er war kein gewissenloser Räuber, der um des schnöden Mammons willen Leute narkotisierte. Er war Wissenschaftler . Neben ihm holte das Wild zweimal schnappend Luft. Dann normalisierte sich die Atmung wieder. Er korrigierte seine Schätzung auf fünfzehn Minuten.
    Doctor Nex hatte nicht nur recherchiert, sondern in den letzten Monaten auch selbst zahlreiche Tests mit dem Mittel gemacht. Das Körpergewicht und die vorher aufgenommene Nahrung beeinflussten die betäubende Wirkung. Bei kleinen, zarten Personen – ein zärtlicher Blick zu der Frau auf dem Beifahrersitz – dauerte es länger, bis sie wieder zu sich kamen. Aber das war egal, er hatte die ganze Nacht Zeit. Es war erst kurz nach elf, noch mindestens fünf Stunden, bis es hell wurde. Doctor Nex liebte die Nacht. Sie war sein Gehilfe und Beschützer.
    Und nun war es allmählich Zeit, sich vorzubereiten, ehe das Wild erwachte. Er musste sich umziehen, Rucksack und Nachtsichtgerät anlegen und die Kleine in den Wald schleppen.
    Zur Kontrolle ihres Zustandes gab er ihr eine leichte Ohrfeige. Die Lider flatterten, aber sie erwachte nicht. Noch nicht.
    Beim Transport sollte sie noch bewusstlos sein. Die Jagd war dann am aufregendsten, wenn die Beute orientierungslos im schwarzen Nirgendwo zu sich kam. Wenn sie nicht ahnte, was gleich geschehen würde, und noch an einen Albtraum glaubte.

9
    En kratziges Etwas fuhr über Laras Wange, und sie hörte einen unkontrollierten Schrei. Sie blieb stehen und rang nach Luft. Die Muskeln ihrer Beine zitterten. Es dauerte einige Sekunden, bis sie realisierte, dass das borstige Etwas ein Ast und der Schrei von ihr selbst gekommen war. Ihre Augen versuchten, die Nacht zu durchdringen, während sich die Ohren wie bei einem ängstlichen Tier aufzustellen schienen. Die Schwärze atmete. Ihr Hals schmerzte, und sie hatte Durst.
    Mit leisem Schluchzen stolperte sie voran. Die ausgestreckten Arme stießen an stachelige Zweige. Spitzdornige Gegenstände bohrten sich in ihre Fußsohlen. Sie schien keine Schuhe anzuhaben. Keine Schuhe und – hastig wischte die rechte Hand von oben nach unten über den Körper – auch sonst keine Kleidung. Sie war vollkommen nackt.
    Das Knie verdrehte sich, sie taumelte, strauchelte kurz und fiel dann auf die Seite. Links knackte ein Armknochen. Lara spürte keine Schmerzen. In Embryonalhaltung lag sie auf dem Waldboden, die Wange an ein weichfeuchtes Moospolster geschmiegt.
    Über ihr keuchte ein wildes Tier.
     
    Jetzt lag sie auf dem Rücken. Spitze Nadeln bohrten sich an Oberarmen, Schultern, Waden und Hintern in die Haut. Im linken Arm brannte ein grelles Feuer. Irgendetwas schnürte ihr den Hals zu, sodass sie keine Luft bekam.
    Leblos stierten weit geöffnete Augen nach oben in die leuchtenden Punkte am Firmament. Über ihr zischte eine silbrige Sichel durch die Nacht.

    Dann verloschen die Sterne.
    Lara krallte die Finger um einen Zipfel der Bettdecke, hob den schlaftrunkenen Arm und

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