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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Halluzinationen oder träumte schlecht? Und trotzdem – sie schniefte unhörbar – musste sie der Möglichkeit ins Auge sehen, dass in ihrem Kopf etwas Schlimmes wucherte. Das Modell eines Gehirns begann, sich vor ihren Augen zu drehen. Verschiedene Begriffe flammten kurz auf und verloschen wieder. Sehzentrum, Sprachzentrum, Hörzentrum. En vor sich hin kichernder Arzt im blutbespritzten Kittel
zeigte mit einem Teleskopstab auf die Areale und fragte, worauf sie in Zukunft verzichten wollte. Nichts mehr sehen? Peng! Der Irre richtete die Spitze des Stabs auf ein Stück Großhirn, und dieses löste sich mit einem hörbaren Puffgeräusch in grauen Rauch auf. Zurück blieb eine schwarze Höhle.
    Während Lara sich noch fragte, warum sie trotz der Verpuffung ihres Sehzentrums das Gehirnmodell noch sehen konnte, klopfte ihr eigener Name an die Schwelle zum Bewusstsein. Sie wurde gerufen!
    »Frau Birkenfeld!« Die Stimme wurde energischer. »Sie sind dran!«
    Lara öffnete ihre Augen und fuhr mit beiden Händen über den Kopf. Da oben schien noch alles intakt zu sein. Gelbgefiltertes Sonnenlicht stach in ihre Netzhaut. »Ich bin wohl ein bisschen eingenickt.«
    »Das kommt vor.« Die Schwester lächelte abwesend. »Sie können reingehen.«
    Lara erhob sich, holte tief Luft und betrat das Sprechzimmer.
    »Nehmen Sie Platz, bitte.« Doktor Radost wies auf den Stuhl, der seitlich neben dem Schreibtisch stand, und eilte zu seinem Platz. Die Zipfel seines offenen Kittels wehten.
    Er wartete, bis die Sprechstundenhilfe ihm die Akte auf den Tisch gelegt hatte, und blickte dann über die Ränder seiner Halbbrille. Er erinnerte sie an das Kaninchen aus Alice im Wunderland, und Lara versteckte ihr aufkommendes Grinsen.
     
    »120 zu 80.« Doktor Radost ließ die Luft aus der Manschette und kritzelte gleichzeitig die Blutdruckwerte in seine Patientenakte. Dann sah er Lara mit seinem Arztblick an. »Alles normal. Und nun erzählen Sie mal, was Sie für Beschwerden haben.«

    Er nickte ab und zu väterlich, während Lara von ihren Kopfschmerzen und den plötzlichen Halluzinationen berichtete und mit den Worten »Ich glaube, es ist ein Gehirntumor« endete.
    »En Gehirntumor, denken Sie.« Der Arzt war ganz ruhig. Die Diagnose stellte er und nicht der Patient. »Gab es in Ihrer Familie schon solche Fälle?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Nun gut, Frau Birkenfeld. Warum gleich vom schlimmsten Fall ausgehen? Kopfschmerzen und Sinnestäuschungen müssen nicht heißen, dass es eine Geschwulst ist. Gehen wir gemeinsam die Anzeichen durch.« Er schob die Brille mit dem Zeigefinger nach oben und begann mit seiner Aufzählung. Nach jedem Symptom wartete er auf Laras Antwort, ehe er sich etwas notierte. Nachdem sie die Liste abgearbeitet hatten, las Doktor Radost das Geschriebene noch einmal vor.
    »Fassen wir zusammen: Übelkeit und Erbrechen: Nein. Lähmungserscheinungen: Keine. Schwindel, Sprach- und Sehstörungen: Nein. Krampfanfälle, unwillkürliche Zuckungen in Armen, Beinen oder einer Körperhälfte: Nein. Koordinationsstörungen: Nein. Vergesslichkeit: Normales Ausmaß. Persönlichkeitsveränderungen: Nein. Das deutet alles nicht auf einen Tumor hin.«
    »Aber diese Halluzinationen«, sagte Lara immer noch beunruhigt, »müssen doch eine Ursache haben! Sie sind so plastisch, dass ich das Gefühl habe, es geschieht mir selbst!«
    »Ich verstehe.« Der Arzt nickte zu seinen Worten, als verstehe er tatsächlich. »Das kann ich bisher auch nicht erklären, Frau Birkenfeld. Ich mache jetzt noch ein paar Untersuchungen, und dann überweise ich Sie vorsichtshalber zum Neurologen.« Er griff zum Stethoskop. »Machen Sie bitte den Oberkörper frei.«

    Nachdem der Arzt sie abgehört und abgeklopft und Lara sich wieder angezogen hatte, nahmen sie erneut Platz, und der Doktor begann, wieder zu schreiben, wobei er halb für sich, halb für seine Patientin vor sich hin murmelte.
    »Zuerst machen wir eine Computertomografie. Wenn das nichts bringt, können wir noch eine Kernspintomografie anschließen. Es gibt noch weitere Verfahren, aber die CT dürfte meiner Meinung nach ausreichen, um festzustellen, ob da etwas ist…« Jetzt blickte er von seinen Papieren hoch und sah Lara direkt in die Augen, »… was ich nicht glaube.« Das »nicht« betonte er besonders stark. Er drückte auf den Knopf der Sprechanlage und beorderte die Arzthelferin herein. Lara erhob sich. Sie fühlte sich ein bisschen zuversichtlicher, aber in ihrem Kopf begann es

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