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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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an.
    »Wollen wir noch etwas trinken oder zahlen?«
    »Weißt du was? Ich trinke jetzt auch einen Kognak. Wir
nehmen nachher ein Taxi, und ich lasse dich auf dem Weg zum Hotel zu Hause absetzen.« Lara nickte. Sie stürzte das letzte Glas Rotwein hinunter, als sei sie am Verdursten.
    »Und nun zu deinen Visionen.« Von seinen Erläuterungen über »morphische Felder« und dass diese immateriellen Gebilde das »Sehen« von gleichzeitig stattfindenden, ortsfernen Ereignissen ermöglichen konnten, verstand Lara höchstens ein Zehntel. Vieles war nach Marks Worten umstritten und nicht bewiesen. Er empfahl ihr Bücher zu diesem Thema, und Lara war froh darüber, dass er ihre Fantasien nicht als hellseherischen Blödsinn abtat. Außerdem trugen die Erklärungen dazu bei, Ed Gein für eine Weile aus ihrem Kopf zu verdrängen.
     
    »Gute Nacht. Bis morgen!« Lara winkte und stieg die Stufen hinauf. Das Taxi fuhr erst an, als sie die Haustür aufschloss. In den Vororten herrschte um Mitternacht schon Totenstille, auch wenn heute Samstag war. Der Halbmond über ihrem Kopf wiegte sich sanft hin und her. En einsamer Vogel tschilpte einmal und war dann wieder still.
    Drinnen drehte sie den Schlüssel zweimal um, warf dann die Strickjacke über einen Bügel, streifte gleichzeitig die Pumps ab und stellte sich vor den Spiegel. Das Spiegelbild schaukelte vor und zurück, wurde schemenhaft und schärfte sich wieder.
    »Ich bin dir wohl nicht hübsch genug?« Lara strich sich über die Hüften und wusste gleichzeitig, dass ihr Aussehen nicht der Grund war, weshalb Mark im Hotel übernachtete. Die Spiegelgestalt schwankte stärker und wedelte dann mit den Armen: Genug gehadert. Es ließ sich nicht ändern. Etwas wackelig manövrierte Lara ihren instabilen Körper vorsichtig in Richtung Küche. Sie würde sich jetzt noch einen
Gute-Nacht-Schluck holen und dann hoffentlich tief und fest schlafen.
    En silbriger Schatten zischte durch das Halbdunkel. Die Luft vibrierte. Laras Fingerknöchel schlugen gegen den Schrank. Wieder schwirrte schimmernder Stahl von oben nach unten, funkelte, spiegelte fahles Licht wider.
    Jetzt fanden die zitternden Finger den Lichtschalter, und mit einem Klacken erhellte gelbes Licht den Raum. Lara zwinkerte und sah sich um. Alles war wie immer. Sie öffnete den Wandschrank, um ein Glas herauszunehmen. Der Korken der Weinflasche quietschte leise beim Herausdrehen. Die Flasche neigte sich.
    Klare Flüssigkeit gluckerte in ein Wodkaglas. Wacholdergeruch drang durch die Nase direkt ins Gehirn. En kurzer Blick auf ein Etikett auf zartblauem Glas: Bombay Sapphire – London Dry Gin.
    So schnell, wie es aufgeblitzt war, verblasste es auch wieder, verblasste die quaderförmige Flasche, verblasste der Wacholderduft, und nur ein leichtes Brennen in den Augen blieb zurück, so als habe sich Lara zu dicht über den hochprozentigen Alkohol gebeugt.
    Sie zitterte. Ihre Zähne machten ein tackerndes Geräusch beim Aufeinanderstoßen. Lara nahm den Wein mit zu ihrem Bett, setzte sich auf den Rand und trank. Trank, bis die Flasche leer war. Dann ließ sie sich einfach nach hinten fallen und war nach einer Minute eingeschlafen.
    Der Mann legte das Skalpell beiseite und betrachtete sein Werk. Der helle Schein seiner Küchenbeleuchtung verfälschte die Farben irgendwie. Es gab noch allerhand zu tun, aber ein Anfang war gemacht. Im Moment wirkte es wie einer dieser
Homunkuli aus historischen anatomischen Sammlungen, die mit blinden Augen in Formaldehyd schwammen. Das Brustwarze-in-Gebärmutter-in-Herz-Objekt bildete den Mittelteil der Schöpfung. Noch war es lediglich ein unfertiges Konstrukt aus rotem Fleisch und weißen Fasern. Das neongrüne Garn leuchtete an den oberen Nähten expressionistisch. Und er wollte ja auch etwas damit ausdrücken .
    Der Mann fand, dass er sich jetzt eine Belohnung verdient hatte. Einen schönen eiskalten Gin zum Beispiel. Im Vorbeigehen musterte er sich im Spiegel und suchte auf dem Kittel nach Flecken. Er mochte es nicht, mit beschmutzter Kleidung zu arbeiten.
    Im Licht der kleinen Kühlschranklampe grüßten die Tupperdosen ihren Halbgott in Weiß. Die kantige Flasche schmiegte sich kühl in seine Hand. Er goss sich ein schmales Wodkaglas reichlich voll und sog den Wacholderduft tief in seine Lungen. Mit zufriedenem Schmatzen saugte sich die Tür wieder fest.
    Zurückgekehrt nahm der Mann vor seinem unfertigen Kunstwerk Platz und trank den Gin in ganz kleinen Schlückchen.
    Er war jetzt

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