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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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zur Arbeit und hatte nicht wie sonst zwei Tage frei, um sich seinem Werk zu widmen. Wenn er jedes Mal das Weichei gab, sobald es finster wurde, würde er es nie zu Berühmtheit bringen. Ed Gein hatte auch eine dominante Mutter gehabt – Augusta. Eines Tages war sie – genau wie seine – verschieden. Ob Ed auch ein wenig nachgeholfen hatte? Das würde man wohl nie herausfinden.
    Aber Ed Gein war ein Dilettant gewesen, kein sensibler Künstler. Wie dieser Psychopath an den Frauen herumgesägt hatte, war eher brutal denn besonders brillant gewesen. Und auch das, was er aus den Körperteilen gemacht hatte, fand höchstens wegen seiner Absurdität Beachtung.
    Doctor Nex dagegen, Doctor Nex hatte Großes vor. Das Werk Gunther von Hagens’ imponierte ihm, allerdings eher wegen dessen Kühnheit, komplette Körper zu konservieren und in Scheiben zu schneiden. Kreativ war auch das nicht.
    Der Mann lächelte, als er die Kiste mit den neuen Objekten in seine Küche trug. Hell beleuchteten die Neonröhren jeden Winkel des Zimmers. Er würde sich jetzt zuerst einen eiskalten Wacholderschnaps gönnen und dann mit der Arbeit beginnen.
     
    »Na, meine Liebe, wie finden wir das?« Doctor Nex streckte die Arme mit einem Ruck geradeaus, sodass die Ärmel des Kittels nach hinten rutschten. An den vorderen Saumkanten waren kleine Blutschmierer. Er würde den Kittel heute Nacht noch auskochen und bleichen, aber zuerst musste dies hier einem Ende zugeführt werden.
    Vorsichtig bohrte sich die gebogene Nadel durch das Fleisch. Die äußere Hautschicht war wie Gummi, und er
musste jedes Mal kräftig drücken, um sie zu durchstoßen. Man merkte gleich, dass dies hier kein zartes, junges Küken von Anfang zwanzig mehr war. Das Gewebe war wie Leder.
    Es hatte auch keinen Spaß gemacht, die Alte zu zerteilen. Sie zu jagen, war ihm gar nicht erst in den Sinn gekommen. Das Elend, eine alte Schachtel mit schütteren Löckchen durch den Wald taumeln zu sehen, hatte er sich gleich erspart. Es ging ja hier auch nicht um die Hatz der Beute, sondern lediglich darum, den Zeitungsschmierern und Bullen eine Lehre zu erteilen. Und dazu war ihm diese Alte gerade recht gekommen. Jede andere, die nicht jung, blond und grazil war, wäre auch recht gewesen. Er hatte zuerst sogar darüber nachgedacht, einen Mann zu wählen, sich dann aber dagegen entschieden. Männer waren viel kräftiger als Frauen, und Schwierigkeiten konnte er nicht gebrauchen.
    Beate Zimmer war ihm als Erstes über den Weg gelaufen, die Gelegenheit war günstig gewesen, und so hatte sie dran glauben müssen. »Es war nichts Persönliches, meine Liebe.«
    Die Nadel fuhr das letzte Mal durch die Haut, vollführte einen zweifachen Bogen, und der Faden verknotete sich.
    »Fertig.« Der Mann legte die Instrumente beiseite und hob das Objekt hoch, um es von allen Seiten zu betrachten. »Hätten Sie das gedacht, dass Sie noch einmal zu Berühmtheit gelangen würden, Frau Zimmer? Oder sollte ich besser sagen, ein Teil von Ihnen? Nicht wirklich, oder?«
    Das Gebilde antwortete nicht, und er stellte es auf das Metallgitter. Ab und zu fiel ein zäher Tropfen Polyethylenglykol in die Schale darunter. Das Kunstwerk konnte jetzt in Ruhe trocknen, bevor es verpackt werden würde. Sollte es nachher immer noch feucht sein, würde er den Föhn nehmen und den Resten von Beate Zimmer ein wenig heiße Luft zufächeln.
Doctor Nex erhob sich. In zwei Stunden würde der Morgen anbrechen, und es gab noch allerhand zu erledigen.

20
    Lara stieg den Pfad hinauf. Das Schnaufen wurde mit jedem Schritt lauter. Ihr Kopf war nach unten geneigt, die Augen fixierten den steinigen Weg. Schritt für Schritt musste sie voran. En kurzer Blick nach oben, zum Gipfel, da stand er: Peter. Er lächelte ihr entgegen, winkte ihr Mut zu. Die Sonne verlieh seinem Haar einen goldenen Schimmer. Lara beeilte sich, zu ihm zu kommen. Von weiter unten bimmelten die Glocken der weidenden Kühe herauf. Das Klingeln wurde lauter, übertünchte das Alpenpanorama, blich Peters Winken aus, ließ das ganze zauberhafte Bild verblassen, schrillte und nervte, bis nichts mehr von Idylle übrig war. Lara stöhnte und drehte den Kopf, wollte die Traumwelt zurückholen, Peters lächelndes Gesicht, die kleinen Fältchen, die sich von seinen Augenwinkeln nach außen zogen, die Berge im Hintergrund, den steinigen Weg. Das Klingeln ging weiter. Sie zwinkerte und öffnete die Augen. Noch immer schien die Sonne. Sie schien in Laras Schlafzimmer, leuchtete

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