Ungeheuer
schnell wieder gesund geworden!« Der ironische Klang von Gernot Hampenmanns Stimme schnitt sich in Laras Rücken. Sie holte tief Luft und drehte sich auf ihrem Stuhl, um ihm eine scharfe Erwiderung entgegenzuschleudern, als lautes Klopfen an der Bürotür erneut alle Geräusche zum Verstummen brachte. Das musste ein Gast sein. Redaktionsmitarbeiter klopften nie an.
»Herein!« Der Redaktionsleiter hatte seine Aufmerksamkeit von Lara weg auf den Eingang gerichtet. Die Tür schwang auf und gab den Blick auf einen unrasierten Mann frei, der einen großen quadratischen Karton in den Händen hielt.
»Das sollsch hier abgebn.« Der geöffnete Mund entblößte zwei Zahnlücken zwischen gelben Zahnstümpfen. Mit saurem Schweiß vermischter Bierdunst wehte herein, und Lara hielt die Luft an. Der Penner hatte sich bestimmt wochenlang nicht gewaschen und, wenn sie seine Klamotten betrachtete, auch seit vielen Tagen dasselbe an.
»Was ist das?« Gernot Hampenmann näherte sich dem Besucher widerwillig. Wenn der nicht bald verschwand, würden sie den Gestank tagelang nicht aus den Räumen bringen.
»Weessch nich. Nur abgebn.« Der Penner streckte dem Redaktionsleiter das Paket hin. »›Für Elbeh‹ hat der feine Mann gesagt. ›Geehm sie das Elbeh‹.«
»Elbeh?« Hampenmann streckte das Kinn vor und versuchte, die Schrift auf dem Packpapier zu erkennen.
»Isch lass das jetzt hier, ob Sies wolln oder nich. Der feine Mann hat gut gelöhnt, dass ischs abgeb.« Der Mann stellte das Päckchen auf den Boden neben der Tür und drehte sich um.
»Halt! Von wem ist denn das?«
»Keene Ahnung. Mir egal.« Der Penner schlurfte bereits die Treppen hinunter.
»Hallo? Ich verstehe das nicht. Elbeh … was soll das?«
Lara betrachtete die Szenerie und versuchte dabei, flach durch den Mund zu atmen. Gernot Hampenmann stand noch immer mit nach vorn gerecktem Kopf neben der Tür, vor sich den Karton. Friedrich und Hubert hatten sich von ihren Plätzen erhoben und näherten sich dem Paket vorsichtig, als sei es etwas Gefährliches. Isabell war aus ihrem Lieblingsdomizil, der Kaffeeküche, gekommen und stand hinter ihnen. Sogar Christin, die sich sonst aus allem heraushielt, hatte ihren Stuhl in den Gang gerollt und blinzelte herüber.
»Was kann das sein?« Hubert stand jetzt in gleicher Haltung neben dem Redaktionsleiter.
»Auf dem Packpapier steht nur die Redaktionsadresse in Druckbuchstaben.« Hampenmann richtete sich auf, stützte die Hände in die Seite und ächzte dabei. »Schauen wir einfach nach!«
Zwei dunkelblaue Puppenaugen zwinkerten Lara synchron zu.
»Was, wenn da eine Bombe drin ist?« Christins Stimme klang dünn.
»Ach was! Eine Bombe? Quatsch! Machen wir es auf, los!« Der Redaktionsleiter zeigte auf Isabell. »Holen Sie einen Cutter!«
Die Praktikantin stürzte zu Toms Schreibtisch und kam mit einem großen blauen Teppichmesser zurück. Währenddessen hatte Hubert das Paket auf den Tisch neben der Tür gehoben. Es schien nicht besonders schwer zu sein.
Der Cutter fuhr mit einem Zischen durch das Paketband. Auch Christin war jetzt aufgestanden und hatte sich zu den anderen gesellt.
Lara verfolgte, wie Isabell das Klebeband an den Seitenrändern durchtrennte. Vor ihrem inneren Auge tauchte eine Filmsequenz aus dem Thriller Sieben auf, in dem ein UPS-Bote einen Karton lieferte, dessen Inhalt sich als abgetrennter Kopf der Ehefrau eines jungen Kommissars herausgestellt hatte. Obwohl man im Film nicht hatte sehen können, was sich tatsächlich in dem Karton befand. Aber jeder hatte es gewusst.
Noch bevor Lara die Szene ganz aus ihrem Kopf verdrängen konnte, hatte Isabell bereits die beiden Deckelhälften beiseitegeklappt und zog nun lagenweise Luftpolsterfolie aus dem Paket.
Hubert, Friedrich und Gernot Hampenmann reckten wie drei kurzsichtige Vögel die Hälse, Christin hatte sich hinter ihnen postiert und versuchte, zwischen den Schultern der Männer hindurchzuspähen.
Isabell schrie als Erste. Dann stimmte Christin ein, und Lara vergaß im selben Moment, in dem sie den Inhalt des Pakets erkennen konnte, dass sie eigentlich wegen etwas ganz anderem in die Redaktion gekommen war.
»Was ist denn hier los?« Tom stand in der Tür und betrachtete die erstarrten Gestalten rund um das geöffnete Paket. »Euer Geschrei kann man ja bis auf die Straße hören!« Sein Mund stand ein wenig offen. Noch ehe ihm jemand antworten konnte, warf Isabell sich mit einem theatralischen Aufschrei an seine Brust.
»Rufen
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