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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Titelseite zu suchen, war ja auch zu vermessen. Obwohl sein Bestreben dahin zielte.
    Eines Tages – so wusste er – würde das großartige Werk des Doctor Nex auf den Titelseiten aller Zeitungen prangen, Wikipedia hätte eine eigene Seite für ihn, Bewunderer würden Domains unter seinem Namen kaufen und mit Inhalten bestücken.
    Auf den Seiten zwei und drei standen Nachrichten aus aller Welt. Sein Beitrag befand sich bestimmt weiter hinten. Schnell überflog er die Überschriften.  … Mindestens zehn Tote bei Selbstmordanschlag… Tausende demonstrieren in New York… Der Papst erteilt den Segen… Taliban-Rebellen in Südafghanistan getötet… Nun gut. Er hob die Tasse zum Mund und
genoss für einen Augenblick den Geruch des frischgebrühten Kaffees, eher er einen Schluck nahm. … Neues Disney-Musical… satanische Verse werden auf Opernbühne aufgeführt… Die Protestbewegung der 60er Jahre… Sommer der Revolte… Schneller huschten die Augen über die fetten schwarzen Buchstaben. Hastig blätterte er um, sodass der obere Rand der Zeitung dabei einriss. Nach der Kultur folgte Sport. Trotzdem las er jede Überschrift. In seinem Magen begann es zu rumoren. Leichtathletik – Siebenkampf … Motorsport – Formel-1-Rennen… Kopf an Kopf… Die nächsten beiden Seiten nannten sich »Panorama«. En abgetrennter Kopf in einem Paket, abgegeben bei der Redaktion, würde doch gut in diesen bunten Mischmasch aus Meldungen passen. Er las die Überschriften zweimal. Dann noch einmal, Buchstabe für Buchstabe.
    Nichts.
    Nicht ein einziges Wort über sein Kunstwerk. Zur Sicherheit blätterte er zur letzten Seite: Wetter, Rat und Hilfe, Gesundheit und Specials.
    Nur kurz blitzte der Verdacht in ihm auf, der Penner habe gestern das Paket mit dem Kopf der alten Schreckschraube gar nicht in der Redaktion der Tagespresse abgegeben, ehe er sich selbst zurechtwies. Selbstverständlich war alles an Ort und Stelle angekommen. Er hatte die Übergabe zwar nicht mit eigenen Augen gesehen, aber alle Indizien sprachen dafür. Dieser widerlich stinkende Mann mit den verfaulten Zähnen, den Doctor Nex so sorgfältig aus dem Kreis der biertrinkenden Taugenichtse vor dem Supermarkt ausgesucht hatte, war gegen ein entsprechendes Entgelt sofort bereit gewesen, einen »Auftrag zu erledigen«. Bedenken, dass sich die Säufer an ihn erinnerten, hatte er kaum. Alle vier waren schon reichlich betrunken gewesen. Und Doctor Nex war ein durchschnittlicher
Mann ohne besondere Merkmale. Ihr zerfressenes Hirn würde ihn schon ein paar Minuten später vergessen haben. Die Bullen würden Tage oder gar Wochen brauchen, bis sie den Penner, der das Paket überbracht hatte, ermittelt hatten. Wenn sie ihn überhaupt fanden. Bis dahin würden seine Kumpane und er sich höchstens noch an den Fünfziger erinnern, der dabei herausgesprungen war.
    Er selbst hatte von einem gegenüberliegenden Café aus beobachtet, wie der Penner, die kostbare Ladung in den Händen balancierend, in das Gebäude geschlurft war. Nach endlos erscheinenden fünf Minuten war er wieder herausgekommen, diesmal ohne das Paket, und davongewankt.
    Als die ersten beiden Polizeiautos auf den Platz gefahren waren, war Doctor Nex von dannen geschlendert, ein zufriedenes Grienen im Gesicht.
    Die Journalisten, unter ihnen »LB«, hatten den Karton samt Brief erhalten, daran gab es keinen Zweifel.
     
    Der letzte Schluck Kaffee schmeckte fad. Zorn brannte hinter seiner Stirn. Die Journaille wagte es doch tatsächlich, ihn zu missachten, wagte es, seine Botschaft und das mitgesandte Kunstwerk zu ignorieren! Der Mann stand auf. Seine Finger knüllten das Wurstblatt zu einem festen Ball. Magensäure brannte in der Speiseröhre. Wenn die Journalisten glaubten, sein Werk durch Ignoranz hintergehen zu können, dann hatten sie sich gründlich geirrt. Doctor Nex würde sich das nicht bieten lassen.
    Mit einem Knacken öffnete sich der Deckel der Packung mit Latexhandschuhen. Die von einer weißen Haut überzogenen Finger von sich gestreckt, marschierte der Mann ins Arbeitszimmer. In seinem Schreibtisch bewahrte er immer jungfräuliches Papier, in Klarsichthüllen verpackt, auf. Er würde
den Schreibern, insbesondere seinem Freund »LB«, eine weitere Botschaft zukommen lassen. Der Mann schien den Brief, der dem Kunstwerk in der Schachtel beigefügt gewesen war, nicht gründlich gelesen zu haben. Eine Chance zur Richtigstellung sollte er noch bekommen. Doctor Nex war kein Unmensch. Und zur

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