Ungeplant (German Edition)
eigentlich immer gut im Griff.
„Bei uns ist alles in bester Ordnung. Die Zwillinge werden im Sommer eingeschult. Die Zeit vergeht, Melli. Ich kann dir gar nicht sagen, wo die ganzen Jahre geblieben sind. Wann sehen wir dich mal wieder bei uns?“
„Ich vermute, wenn Sven wieder da ist.“
Verlegen sehe ich auf meine Füße.
„Du bist auch alleine willkommen. Lara und Tim vermissen dich. Hey, am Samstag wollen wir die Grillsaison einläuten und gleichzeitig den sechsten Geburtstag der beiden Monster feiern. Bist du dabei? Jana würde sich auch freuen.“
„Ich melde mich morgen mal bei deiner Frau. Dann machen wir was aus. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es am Wochenende schaffe, aber versuchen werde ich es auf jeden Fall.“
„Okay, Melli. Unsere Türen sind immer für dich offen, das weißt du hoffentlich.“
„Das weiß ich, Thomas.“
Dankbar lächle ich ihn an und will ihn nur kurz umarmen, bevor ich meinen Einkauf fortsetze, doch er hält mich fest.
„Ich habe keine Ahnung, was ihr euch da antut“, spricht er ganz nah an meinem Ohr. „Aber eins weiß ich, Melli, mein Bruder leidet wie ein Hund. Ich wünschte wirklich, ihr würdet mal euren Kopf aus dem Allerwertesten ziehen und sehen, was direkt vor eurer Nase ist.“
Er entlässt mich wieder aus seinem Klammergriff und verabschiedet sich, als hätte er mir nie diese Worte ins Ohr geflüstert.
Erschüttert bleibe ich stumm zurück.
All das war ein Fehler. Mit jedem Tag entfernen wir uns weiter voneinander. Wenn Sven zurück kommt, dann werden wir beide nicht mehr dieselben Menschen sein.
Ich kann ihn nicht verlieren, doch ich befürchte, genau das passiert gerade.
5.
Von: Melina Baur
An: Sven Gutknecht
Betreff: Armageddon aka Kindergeburtstag
Hey Sonnenschein,
wie Du dem Betreff entnehmen kannst, hat Dein Bruder mich dazu genötigt, am Kindergeburtstag der Zwillinge teilzuhaben. Du weißt, ich lieb die Beiden wie Bolle, aber zusammen mit einer Horde anderer Kinder sind sie wirklich unerträglich. Ich mache Dir mal eine kleine Auflistung der eigentlich unaussprechlichen Dinge, derer ich an diesem Wochenende Zeuge werden durfte:
· Ein Junge hat in den Pool gepinkelt. Vom Beckenrand aus.
· Laras Freundinnen haben den Inhalt von Janas Nachttischschublade ausgeräumt und auch gleich der ganzen Partygesellschaft präsentiert. Ich freue mich ja für Deinen Bruder, dass er noch so ein aufregendes Sexleben hat, aber ich bin mir nicht sicher, ob diese Mädchen noch mal zu Besuch kommen dürfen.
· Ein anderer Junge hat ins Gartenspielhaus gekackt. Direkt auf die Türschwelle. Während noch drei andere Kinder drinnen saßen. (Zu seiner Verteidigung: Er war erst zwei Jahre alt.)
Ich könnte die Liste weiter führen, doch ich denke, das reicht für einen ersten Eindruck. All das wäre soviel lustiger gewesen, wenn Du dabei gewesen wärst.
Aber mal ehrlich, ich bewundere Deinen Bruder und Deine Schwägerin für ihre Ruhe. Keine Ahnung, ob ich jemals eine solche Gelassenheit bei meinen Kindern hinlegen könnte. Wenn sich 5-6jährige noch aufführen wie die Vandalen (wobei die Eltern auch dabei waren und einfach gütig lächelnd daneben standen), wie wird es dann die nächsten Jahre sein?
Vielleicht sollte ich besser gar keine Kinder haben, wenn mich ein Kindergeburtstag schon so aus der Ruhe bringt. (Und ich war nur Zuschauer dieser Szenen.)
Gestern war ich mit Kim im Krankenhaus. Sie hat vorzeitige Wehen und muss viel liegen. Es sieht so aus, als wollte der Kleine schon raus. Aber es ist noch zu früh. Mindestens vier, besser noch sechs Wochen sollte er drin bleiben. Kim möchte, dass ich mit in den Operationssaal komme. Sie will einen Kaiserschnitt. Der Gedanke alleine macht mir schon Angst, aber ich werde mir wohl das Ereignis nicht entgehen lassen, meinen Neffen als eine der Ersten begrüßen zu dürfen. Ich will nur hoffen, dass ich nicht umkippe.
Wie geht es Dir am anderen Ende der Welt? Hast Du eine gute Zeit? Erzähl mir was. Aber etwas, dass uns die Trennung vereinfacht, nicht noch zusätzlich erschwert.
Ich denke an die kleine Stelle hinter Deinem rechten Ohr, die Dich so willenlos macht, wenn ich Dich dort küsse. Gerade jetzt, in diesem Moment, stelle ich mir vor, wie ich sanft mit meiner Zunge darüber streiche, ehe ich meine Lippen auf diesen
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