Ungeplant (German Edition)
Türrahmen stehen, immer noch die Hände vor dem Brustkorb verschränkt.
„Hast du nichts zu tun?“, frage ich pampig.
Mit einem Blick fragt er mich, ob ich auch Orangensaft möchte. Ich nicke und warte immer noch auf seine Antwort.
„Genau genommen nicht. Da ich diese Woche ja noch frei habe, dachte ich, wir könnten etwas unternehmen.“
Angestrengt dehne ich meine verkrampften Nackenmuskeln, die durch das ständige Tragen eines Babys zum Dauerzustand geworden sind, und überlege, wie ich ihm etwas begreiflich machen kann, ohne ihn wieder anzufahren.
„Du weißt, dass ich jetzt Max habe. Ich kann nicht mehr einfach alles fallen lassen und spontan etwas unternehmen“, seufze ich und massiere dabei den Knoten über meiner rechten Schulter.
Sven sieht mich völlig entsetzt an.
„Das ist mir bewusst, Lina. Glaub es, oder lass es, aber Max war in meinen spontanen, völlig irrsinnig und egoistischen Gedanken mit einbezogen. Bei dem Wetter dachte ich an den Stadtwald. Wir könnten was zum Essen einpacken und für den Kleinen einen Sonnenschirm, damit er Schatten hat.“
Jetzt fühle ich mich wie der schlechteste Mensch und bin froh darüber, dass ich die ersten Meckerlaute von Max höre. Mit einem gequälten Lächeln drehe ich mich zum Schlafzimmer um, um ihn zu holen. Meinen Sohn, wenn alles glatt geht.
Max liegt im Schlafsack auf dem Rücken und rudert mit seinen kleinen Ärmchen, als er mich sieht.
„Hey Baby!“, flüstere ich in der kindlichen Tonlage, die nur für ihn reserviert ist. Beim Klang meiner Stimme dreht er den Kopf sofort in meine Richtung und strahlt mich über die kleinen Speckbäckchen an. Rasch öffne ich den Schlafsack und befreie ihn daraus, bevor ich ihn hochnehme. Er drückt sofort sein kleines Köpfchen an meinen Hals und gluckst zufrieden.
„Ich freue mich auch, dich zu sehen, mein Süßer.“
Hinter mir vernehme ich ein leises Lachen.
„Was ist so lustig?“, frage ich und lege Max zum Wickeln auf dem Bett ab.
„Gar nichts, Lina. Du und der Kleine, das ist toll. Nicht lustig.“
Mechanisch wickele ich das zappelnde Baby und ziehe ihm einen frischen Strampler an, um nicht darauf reagieren zu müssen. Max und ich, das ist nicht toll, sondern traurig und ungeplant. Ich will nicht sagen, ungewollt. Wenn ich ihn nicht wollte, hätte ich ihn nicht nehmen müssen. Dennoch habe ich immer noch große Probleme, mich mit dem ganzen Babyleben anzufreunden.
„Also, was ist? Habt ihr heute Zeit?“
Sven lehnt im Türrahmen und sieht mich abwartend an. Mein Nacken bringt mich um und langsam zieht mir die Verspannung in den Kopf.
„Wir haben heute zum ersten Mal Babyschwimmen“, antworte ich und versuche, mit Max auf dem Arm, an ihm vorbeizugehen, doch er bleibt stur stehen.
„Kann ich mitkommen?“
Diese Frage überrascht mich. Er streckt Max die Hände entgegen und der kleine Verräter schiebt sich natürlich gleich in seine Richtung.
Vertrauensvoll überreiche ich ihm das Baby und will an ihm vorbei in die Küche.
„Lina, beantwortest du bitte meine Frage?“, fordert er.
„Was willst du, Sven? Ich verstehe nicht, was du hier machst? Hast du verstanden, dass ich Max nicht nur vorübergehend habe? Wenn alles gut geht, dann ist er hoffentlich auch bald vor dem Gesetz mein Sohn. Er geht nicht mehr weg. Das Ganze ist nicht bloß eine nette, kurzweilige Ablenkung vom Alltag.“
In seinem Gesicht steht deutlich die Verletzung geschrieben. Doch das musste raus.
„Ich hab das verstanden. Nur du tust dich offensichtlich schwer, die ganze Situation anzunehmen. Sonst wärst du nicht so wütend.“ Er dreht sich um und geht in die Küche, wo er eine vorbereitete Flasche aus dem Kühlschrank nimmt und in den Flaschenwärmer stellt. Vorsichtig schaukelt er den hungrigen Max auf seinem Arm, damit der nicht weint, bis seine Milch fertig ist, und vermeidet jeden Blickkontakt mit mir.
Als Max‘ Frühstück aufgewärmt ist, verschwindet er mit ihm im Wohnzimmer, um ihn auf der Couch zu füttern. Ich beschäftige mich weiter damit, den Tisch zu decken. Für Sven schlage ich noch ein paar Eier auf und mache ihm Rührei. Über der Pfanne fange ich an zu heulen und weiß selbst nicht wieso.
Zwei warme Hände legen sich auf meine nackten Schultern.
„Wo ist Max?“, frage ich, ohne mich umzudrehen. Er soll nicht sehen, dass ich mal wieder weine.
„Auf der Krabbeldecke, auf dem Boden. Sicher, satt und schon wieder müde.“
„Hm…“, antworte ich und wische mir eine Träne weg,
Weitere Kostenlose Bücher