Ungeplant (German Edition)
Einzige, was ich wusste, kurz bevor du aus Australien zurückkamst, war, dass ich dich wollte. Jetzt sitze ich in diesem Haufen Scheiße, mit einem Kind, dem ich nur ein schlechter Ersatz einer Mutter sein kann. Und zur Krönung des Ganzen kommst du jetzt auch noch damit an, dass du mich heiraten würdest. Ich will keinen verdammten Versorger, Sven. Ich bin jetzt 27 Jahre alt und habe das Gefühl, ich kann nicht mehr vor und auch nicht zurück. War das jetzt alles? Alleinerziehende Adoptivmutter, die nicht weiß, wie sie ihre Rechnungen bezahlen soll? Ja, Sven. Ich bin stinkwütend. Und dennoch darf ich es Max zuliebe nicht sein. Er kann nichts dafür und er soll nicht mit dem Gefühl aufwachsen, nur eine Belastung gewesen zu sein. Aber wie mache ich es richtig? Kannst du mir das sagen?“
Keine Ahnung, ob mein Gerede überhaupt einen Zusammenhang hat, aber als ich meinen Vortrag beendet habe und in mich zusammensacke, zieht er mich endlich auf seinen Schoß und hält mich fest.
„Du bist keine Belastung für mich“, flüstert er.
Vielleicht bin ich es nicht. Doch was ist mit Max?
Zwei Stunden und eine Dusche später habe ich mich etwas beruhigt. Wir sitzen bei einem Glas Wein auf dem Balkon und sehen in den Sternenhimmel.
„Hast du Lust, morgen zur Lagune zu fahren? Meine Eltern sind übers Wochenende da und haben gefragt, ob wir vorbeikommen wollen. Sie würden auch furchtbar gerne Max kennenlernen.“
Svens Eltern haben an einem See nahe der holländischen Grenze ein Ferienhaus, welches wir in den letzten Jahren im Sommer oft mit genutzt haben.
„Natürlich. Ich vermisse deine Mama.“
Von ihr könnte meine Mutter sich so einiges abschauen.
„Wir können ja morgen früh gleich die Badesachen packen und auf dem Weg Max einsammeln.“
Sven nimmt meine Hand und drückt sie, ohne mich anzusehen.
„Deine ganzen Tränen in den letzten Wochen…“, setzt er an. „Dir ist es sicher nicht bewusst, aber ich denke, die waren auch für Kim bestimmt.“
Vielleicht hat er recht. Ich muss dringend einen klaren Kopf bekommen. In allen Dingen. Doch Svens Rückkehr, Kims Tod und Max, das ist verdammt viel zu verarbeiten. Irgendwie muss ich all die Dinge wieder in Reihe bringen.
In unserer gewohnten Vertrautheit stehen wir später gemeinsam im Bad am Waschbecken und putzen unsere Zähne. Sven trägt nur seine Pyjamahose und ich meine Unterwäsche. Er schlingt von hinten einen Arm um mich und blickt mich über meine Schulter an. Mit der Zahnbürste im Mund lächelt er mir zu, und ich kann nicht anders als zurückzugrinsen.
In dieser Nacht erzähle ich ihm, wie Kim gestorben ist und weswegen mich ihr Tod so wütend macht. Es ist für mich immer noch unfassbar, wie sie sich vier Wochen nach der Geburt ihres Kindes total zugekokst zu ihrem Dealer ins Auto setzen konnte. Der Unfall ist passiert, weil er noch heftiger als meine Schwester zugedröhnt war und dabei ein entgegenkommendes Fahrzeug mit vier Jugendlichen auf dem Weg zur Disco mitgenommen hat. Alle sechs Unfallbeteiligten sind noch am Unfallort gestorben.
Meine Eltern weigern sich, darüber auch nur ein Wort zu verlieren. Für sie wird Kim immer die brave Prinzessin bleiben. Sie sind zu alt, ich kann ihnen nicht mehr die Augen über ihre ältere Tochter öffnen.
In seinen Armen fließen auch endlich die Tränen für Kim. Ich heule und schluchze, bis ich irgendwann vor Erschöpfung einschlafe. Sven hält mich einfach nur. Das ist auch alles, was ich jetzt brauche.
18.
Svens Eltern begrüßen uns stürmisch und machen mir damit bewusst, wie sehr ich sie vermisst habe. Bei ihnen habe ich mehr ein Zuhause, als ich es bei meinen eigenen Eltern jemals hatte.
Bedenkenlos lasse ich mir von Marianne sofort Max aus dem Arm nehmen.
„Ein kräftiges Kerlchen, der Kleine!“, sagt sie und zwickt ihm sanft in die kleinen Speckbeinchen.
„Er geht hart auf die 7 Kilo zu. Mein Rücken spürt das auch schon.“
Svens Vater Peter legt mir einen schweren Arm um die Schultern und drückt mich an sich.
„Gut dich zu sehen, Kleine. Wir haben dich vermisst.“
„Ich hab euch auch vermisst. Aber wie du siehst, war ich schwer beschäftigt“, sage ich und zeige auf Max.
Marianne lächelt mir zu und bemerkt dabei meine geschwollenen Lider vom Heulfest der letzten Nacht, doch sie sagt nichts dazu.
Mit Svens Mutter gehe ich in das kleine, aber gemütliche Holzhaus, wo wir gemeinsam ein zweites Frühstück vorbereiten. Max sitzt wie ein kleiner Buddha
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