Ungeplant (German Edition)
überfordert.“
Selbst Daniel sieht sie erschrocken von der Seite an. Doch dann grinst er einfach nur und lehnt sich zurück, um sich das Schauspiel anzusehen.
Sven lässt sich nicht verunsichern.
„Für mich ist die Sache vollkommen klar. Lina kommt irgendwann hoffentlich auch über ihre Bedenken weg. Solange warte ich halt.“
Er zuckt mit den Schultern, als wäre das etwas völlig Normales.
„Wenn es nach mir ginge, dann wäre sie schon längst meine Frau. Aber nach mir geht es hier leider nicht.“
Für einige Sekunden vergesse ich zu atmen. Als der Schwindel in meinem Kopf zu stark wird, erinnere ich mich wieder daran, Luft zu holen.
„Bitte was?“
Fassungslos starre ich ihn an.
„Du hast mich schon verstanden. Wenn du meine Notizbücher lesen würdest, dann hättest du es vielleicht auch inzwischen begriffen.“
Wie kann er so etwas sagen?
Ausgerechnet in diesem Moment klingelt mein Handy. Es ist Jakob. Froh über die Möglichkeit, mich aus der Situation zu entfernen, stehe ich vom Tisch auf und gehe aus dem Zelt, um mit ihm zu telefonieren.
„Hey Jakob“, melde ich mich.
„Hey Süße. Happy Birthday.“
„Danke dir“, sage ich knapp und versuche, nicht auszurasten. Wieso kommt er jetzt auch noch mit Kosenamen?
„Wo bist du gerade? Es ist ganz schön laut im Hintergrund.“
„In Düsseldorf, auf der Kirmes.“
„Ist alles okay, Melina? Du klingst gestresst.“
Nichts ist okay. Mein bester Freund hat mir gerade praktisch einen Antrag gemacht.
„Nicht wirklich. Lange Geschichte. Danke für deinen Anruf, Jakob.“
Ich will einfach nur nach Hause und habe nicht mehr die Energie für Freundlichkeiten.
„Gern geschehen. Meldest du dich, wenn ich dir helfen kann? Du hörst dich wirklich nicht gut an.“
„Es ist alles okay. Wir reden später. Gute Nacht, Jakob.“
Ich lege einfach auf, ohne seine Antwort abzuwarten.
Wütend stampfe ich zurück ins Zelt und bleibe an unserem Tisch stehen. Drei Augenpaare sehen erwartungsvoll zu mir auf.
„Können wir nach Hause fahren? Mir ist die Lust vergangen.“
Daniel will gerade zu einem Spruch ansetzen, aber mein Blick lässt ihn augenblicklich verstummen.
Die Fahrt nach Hause ist mehr als angespannt, da ich mich beharrlich weigere, auch nur ein Wort zu sagen.
Vor der Haustür bleibt Sven im Auto sitzen und sieht mich abwartend an.
Nur widerwillig breche ich mein Schweigen.
„Kommst du nicht mit hoch?“
„Willst du denn, dass ich hochkomme?“
Ich zucke mit den Schultern und steige aus. Sven öffnet seine Autotür und folgt mir.
Die Wohnungstür lasse ich hinter mir auf, ohne ihn reinzubitten. Sonst braucht er ja auch keine Extraeinladung. Ich streife mir gerade die Schuhe ab, als schon wieder mein Handy klingelt. Dieses Mal nehme ich das Gespräch an, ohne nachzusehen, wer der Anrufer ist.
„Ja?“, frage ich ungehalten.
„Hey Melina. Ich bin es noch mal. Ist wirklich alles in Ordnung? Ich will nicht aufdringlich sein, aber du klingst nicht gut.“
„Es ist alles in Ordnung, Jakob“, sage ich energisch. „Ich muss jetzt auflegen.“
Und das tue ich auch. Als ich mich umdrehe, steht Sven wie angewurzelt im Türrahmen.
„Jakob?“
Er sieht mich an, als hätte er mich gerade beim Fremdgehen erwischt.
„Ja, Sven. Jakob! Und falls du glaubst, es gäbe da irgendetwas zu rechtfertigen, dann irrst du. Er hat mich angerufen, um mir zum Geburtstag zu gratulieren. Erinnerst du dich? Der Tag, den du mir nett gestalten wolltest und stattdessen gründlich versaut hast. Was zur Hölle, Sven? Wieso sagst du so etwas?“
In meiner Wut fange ich an zu zittern. Mein verfluchtes Handy knallt auf den Boden und der Akku fällt raus. Erschöpft sinke ich auf dem Boden zusammen und greife nach den Einzelteilen meines Telefons, doch durch den Tränenschleier kann ich nichts sehen. Sven hockt sich neben mich und reicht mir ein Taschentuch. Normalerweise würde er mich in den Arm nehmen, aber er hat wohl gerade Angst davor, sich eine zu fangen.
„Warum bist du so wütend, Lina?“
„Warum ich wütend bin?“, schluchze ich. „Weil mein Leben ein Haufen Scherben ist. Ich habe ein Kind, das ich nicht wollte. Meine Schwester ist tot und ich kann noch nicht mal darüber weinen. Ich habe Eltern, denen ich am Arsch vorbeigehe und die mich immer nur als Belastung betrachtet haben. Mein Job ist weg und ich weiß noch nicht mal, ob ich ihn überhaupt wiederhaben will. Aber ich weiß auch sonst nicht mehr, was ich eigentlich will. Das
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