Ungeplant (German Edition)
seit 20 Jahren mein bester Freund und er ist ein guter Kerl. Er hat einen festen Job und er ist ehrlich und vernünftig. Wir führen keine Beziehung.“
Zumindest keine Beziehung, wie sie es sich vorstellt.
„Was macht er beruflich?“
„Er ist Physiotherapeut.“
Ich verschränke meine Finger und beiße mir auf die Zunge, um nicht loszuheulen.
„Sie müssen nicht nervös sein, Frau Baur. Ich habe keinen negativen Eindruck hier. Trotzdem muss ich mir ein Bild machen.“
„Okay“, nicke ich und schlucke gegen den Kloß in meinem Hals.
„Warum führen sie keine Beziehung mit ihm? Sie müssen mir darauf nicht antworten. Dennoch wäre es schön, wenn sie mir etwas darüber erzählen würden.“
„Momentan ist es etwas kompliziert. Wir wollten es versuchen, doch dann kam Max dazwischen. Er ist jetzt meine Priorität und ich finde es wichtiger, mich um ihn zu kümmern.“
Frau Claßen nickt und macht sich noch mehr Notizen. Schließlich sieht sie mich wieder an.
„Ihre Einstellung ist lobenswert. Dennoch sollten sie wissen, dass wir von ihnen nicht erwarten, jetzt abstinent zu leben. Es sollte nur ein stabiles Umfeld für Max da sein. Eine männliche Bezugsperson wird auch bald wichtig für den Kleinen. Sie müssen nicht auf eine Liebesbeziehung verzichten, weil sie Angst haben, Max zu verlieren. Solange hier alles in geordneten Bahnen läuft und ihr Freund ein vernünftiger Mann ist, würden wir das sogar befürworten.“
„Ich kann ihnen versichern, dass ich genau das für Max will.“
Frau Claßen macht sich noch mehr Notizen, scheint aber mit meinen Antworten zufrieden.
„Kann ich auch etwas fragen?“
Verwundert sieht sie zu mir hoch.
„Sicher, Frau Baur. Was möchten sie denn wissen?“
„Haben ihre Nachforschungen etwas ergeben? Bezüglich Max‘ Vater?“
Sie nimmt einen großen Ordner aus ihrer Aktentasche und fängt an, darin zu blättern. Einen Moment später schüttelt sie den Kopf.
„Nein. Das läuft alles ins Leere. Wissen sie denn noch etwas?“
Vielleicht bereue ich es bald, aber ich muss ihr das einfach ehrlich sagen.
„Ich weiß wirklich nichts, Frau Claßen. Von dem Freundeskreis meiner Schwester habe ich mich immer weit ferngehalten. Sie hat mir gesagt, dass sie selbst seinen vollen Namen nicht kennt und dass er nicht von hier stammt. Mir hat sie noch nicht mal seinen Vornamen verraten. Sie wollte nur einen Erzeuger und hat immer gesagt, dass es keine Rolle spielt. Aber das müsste ja alles schon in der Akte stehen. Wenn ich ehrlich sein soll, dann bin ich darüber froh. Bitte verstehen sie das nicht falsch. Ich möchte Max nicht seinen Vater vorenthalten, aber sie kennen die Umstände und es ist vermutlich besser so.“
Frau Claßen klappt ihren Ordner wieder zu und räumt die gesamten Unterlagen in ihre Tasche, die sie neben sich abstellt, bevor sie sich wieder mir zuwendet.
„Frau Baur, auch wenn ich das offiziell nicht sagen darf, stimme ich ihnen vollkommen zu. Sie wissen es nicht von mir, aber wenn sich nicht noch jemand direkt bei uns meldet und als Max‘ Vater ausgibt, dann werden wir in dieser Richtung nichts mehr unternehmen. Die von ihnen gewünschte Adoption ist lediglich eine Frage der Zeit. Wenn alles weiter so gut läuft, wie ich es heute beurteilen konnte, dann werden ihnen von uns keine Steine in den Weg gelegt.“
Erleichtert atme ich auf. Komplett beruhigt werde ich zwar erst sein, wenn die Adoption durch ist, aber trotzdem ist mir gerade eine riesige Last von den Schultern gefallen.
„Danke, Frau Claßen. Ich kann ihnen gar nicht sagen, wie sehr mich das freut.“
Sven kommt an diesem Abend direkt nach der Arbeit zu mir. Er hat schon wieder bedenklich viele Klamotten von sich bei mir gelagert und seine Wohnung muss ziemlich vernachlässigt sein. Auch betritt er meine Wohnung mit seinem Ersatzschlüssel, als würde er hier leben. Es fühlt sich fast an, wie früher. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich das gut finde.
Dennoch springe ich ihn voller Freude gleich in der Haustür an. Sofort lässt er seinen Rucksack fallen und fängt mich auf.
„Alles okay, Lina?“
Er geht mit mir ins Wohnzimmer und lässt sich in den Sessel fallen.
„Jetzt ja.“
Ich umklammere ihn immer noch mit meinen Beinen und mache es ihm damit unmöglich, sich zurückzulehnen.
„Sorry, dass ich heute nicht angerufen habe, aber ein Kollege war krank und ich kam noch nicht mal dazu, eine Pause zu machen. Wie war der Termin?“
Mit einem entspannten Seufzer
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