Ungeplant (German Edition)
und geht, mit Eliana auf dem Arm, zu seinem Auto.
Auf dem Weg zu seinen Eltern ist Sven beunruhigend still. Sie haben uns und Thomas und Jana mit den Zwillingen, zum Kaffee und Abendessen eingeladen. Bevor er ins Krankenhaus kommt, wollte Peter unbedingt noch einmal die Familie beisammen haben. Irgendwie hinterlässt das bei mir einen bitteren Nachgeschmack.
Immer wenn wir an einer roten Ampel halten, kraule ich Svens Nacken. Der neue Haarschnitt ist sehr gewöhnungsbedürftig. Er schließt die Augen und schnurrt unter meiner Berührung.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, frage ich, als er kurz vor seinem Elternhaus immer noch kein Wort gesprochen hat.
„Nicht wirklich, aber wird schon wieder“, antwortet er knapp und parkt das Auto ein. Er lässt mir keine Chance für weitere Nachfragen, weil er gleich aussteigt und Max abschnallt. Vor dem Haus wartet schon sein Vater.
„Hey Opa“, rufe ich und gehe ihm entgegen.
Ich nenne ihn schon so, seit die Zwillinge geboren sind. Doch jetzt wird mir schlagartig klar, dass er das missverstehen könnte.
„Hey Melina. Gut dich zu sehen.“
Nur kurz drückt er mich an seine kräftige Brust und schiebt mich gleich an den Schultern von sich, um mich von oben bis unten zu betrachten.
„Klaut mein Sohn dir das Essen? Du bist ja nur noch Haut und Knochen.“
Ich rolle mit den Augen und zwicke ihn dann grinsend in den Arm.
„Nicht du auch noch. Dein Sohn kümmert sich ausgezeichnet um mich. Max ist es, der mich vom Essen abhält.“
Sven stellt die Babyschale neben mich und umarmt seinen Vater.
„Hey Paps.“
Die beiden klopfen sich auf die Schulter und wir gehen gemeinsam ins Haus. Marianne steht schon in der Küche und bereitet das Abendessen vor.
„Hallo Melina“, ruft sie und drückt mich mit ausgestreckten Händen kurz an sich, da ihre Finger vom Salat verlesen noch ganz nass sind.
„Hallo Marianne. Kann ich dir helfen?“, frage ich und stelle Max auf dem Küchentisch ab.
Sie schüttelt den Kopf.
„Geh ruhig zu den anderen in den Garten. Ich bereite nur schon das Abendessen vor. Wir können gleich Kaffee trinken. Aber lass mir Max hier, damit wir uns etwas unterhalten können.“
„Okay.“
Beim Rausgehen küsse ich sie auf die Schläfe. Eine Geste, die mir bei meiner eigenen Mutter nie einfallen würde.
Im Wohnzimmer kommt mir Sven entgegen. Er sieht sehr blass aus.
„Red mit mir. Was ist los?“, frage ich und streichle ihm über die Wange. Krampfhaft weicht er meinem Blick aus. Er hat Angst, die Fassung zu verlieren, wenn sich unsere Blicke treffen.
„Ich mache mir Sorgen, wegen der OP meines Vaters.“
Er zieht mich an sich und legt seine Arme so fest um meinen Oberkörper, dass ich keine Chance habe, ihn anzusehen. Ich kann ihm nicht sagen, dass alles gut wird, denn das wäre eine Lüge. Von mir erwartet er auch keine leeren Floskeln, dafür kennen wir uns zu gut.
„Komm“, sage ich und nehme seine Hand. „Wir gehen in den Garten. Thomas und Jana sind auch schon da.“
Wie ferngesteuert folgt er mir nach draußen, wo er sofort von seinem Bruder mit einem Gespräch über die letzten Spielergebnisse der Borussia bombardiert wird. Sven ist kein Fußballfan, aber ich sehe ihm an, dass er über die Ablenkung froh ist.
Gedankenverloren bleibe ich vor dem Wildblumenbeet am Ende des Grundstücks stehen und beobachte die umhersummenden Bienen. Ich schrecke zusammen, als sich eine große Hand auf meine Schulter legt.
„Hey Kleine.“
Neben mir steht Peter und lächelt mich an.
„Wie geht es dir, Opa?“
Die einzige Antwort, die ich darauf bekomme, ist ein halbherziges Schulterzucken. Normalerweise ist er gesprächiger. In diesem Augenblick weiß ich auch nicht recht, womit ich die Stille füllen soll. Gemeinsam schauen wir den Bienen bei der Arbeit zu.
Nach einer Weile ergreift er doch noch das Wort.
„Du bist immer wie eine Tochter für mich gewesen, Melina. Versprich mir, dass du ihn nie alleine lässt. Ohne dich funktioniert er nicht.“
Er spricht nicht von Max.
„Ich weiß nicht, ob er bereit ist, Peter. Die meiste Zeit weiß ich noch nicht mal, ob ich dafür bereit bin. Es ist alles so verdammt viel zu verarbeiten.“
„Ach, Kleine. Mein Sohn ist schon bereit, seit er dich zum ersten Mal gesehen hat. Er wird dich niemals verlassen, aber er braucht auch die Gewissheit, dass du nicht irgendwann verschwindest. Ihr spielt dieses Spiel schon so lange, ihr müsst doch müde sein?“
Peter macht sich gar kein Bild
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