Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ungeplant (German Edition)

Ungeplant (German Edition)

Titel: Ungeplant (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Hinz
Vom Netzwerk:
davon, wie müde ich bin. Zweifellos will ich Sven. Das hat sich nie geändert. Aber wenn wir uns dazu entschließen, auch mit Max einen Neuanfang zu machen, dann müssen wir vorher ein ernstes Gespräch führen. Ich muss mir wirklich sicher sein, dass Sven dazu bereit ist.
     
    Nach dem gemeinsamen Kaffee trinken, errichten wir uns ein Lager unter dem Apfelbaum im Garten. Sven breitet uns eine Decke im Schatten aus und holt Getränke aus der Küche. Seine Eltern sind im Haus verschwunden und Thomas sitzt mit seiner Frau auf der Terrasse.
    Die Zwillinge schaukeln entspannt und unterhalten sich dabei im Flüsterton. Es ist faszinierend, die enge Bindung der beiden zu beobachten.
    Mit Max sicher in seinem Arm, hat sich Sven auf der Decke lang gemacht. Auch ich lasse mich nach hinten sinken und schaue dabei auf unser altes Baumhaus, das so viele Erinnerungen mit sich bringt. Leider ist es heute zu morsch und wir sind zu schwer, als dass es uns noch tragen würde.
    Trotz geschlossener Augen schläft Sven nicht. Max zappelt unruhig neben ihm und wehrt sich mit aller Macht gegen das dringend benötigte Nickerchen.
    Vorsichtig dreht Sven sich auf die Seite und zieht den Kleinen enger an sich. Er öffnet nicht die Augen, als er beginnt zu singen. Ein altes, englisches Schlaflied, was ihm Marianne immer vorgesungen hat. Es ist ein Überbleibsel aus ihrer eigenen Kindheit, da ihre Mutter Engländerin war.
    Mit Mühe schlucke ich einen Schluchzer, der in meiner Kehle aufsteigen will. Die Erinnerung trifft mich wie ein Hammerschlag.
     
    „Kann ich nicht bei euch wohnen? Meine Eltern hassen mich, Sven. Ich will nicht wieder zurück. Es ist egal, was ich mache, immer ist es falsch. Ich kann sie nicht zufriedenstellen. Sie finden immer etwas, was sie mir unter die Nase reiben können. Hauptsache Kim hat es gerade mal geschafft, ihren Hauptschulabschluss zu machen.“
    Ich nehme mir ein Taschentuch von Svens Nachttisch und wische mir den Rotz von meinem Geschluchze aus dem Gesicht. Im Wohnzimmer höre ich seine Mutter telefonieren. Vermutlich mit meiner Mutter, um sie zu informieren, wo ich gerade bin. Nicht, dass es meine Eltern besonders interessieren würde.
    Sven sitzt mir hilflos gegenüber und spielt an seinen Socken.
    „Was soll ich tun, Lina? Du weißt, dass es nicht geht. Du darfst mich immer besuchen, aber da machen meine und deine Eltern nicht mit.“
    „Kannst du mich einfach nur festhalten?“, schniefe ich und sehe ihn flehend an.
    Seine ansehnliche Playboysammlung lässt darauf schließen, dass er wenig Probleme mit dem weiblichen Körper hat, doch seit einem Jahr hat er offensichtlich welche mit mir. Vielleicht liegt es an meiner Zahnspange, die ich erst in einem Jahr, wenn ich 15 werde, wieder los bin. Oder ihn hat die Tatsache traumatisiert, dass ich in den letzten Monaten eine erkennbare Oberweite entwickelt habe. Ich verstehe ihn in letzter Zeit immer weniger.
    Er rutscht ans Kopfende seines Bettes und legt sich auf die Seite. Zögerlich öffnet er seine Arme. Sofort krabbele ich zu ihm und lege mich so, dass ich ihn ansehen kann. Auch wenn ihn mein verheultes Gesicht wahrscheinlich abstößt, aber er ist immer noch mein bester Freund.
    „Warum hassen mich meine Eltern so?“
    Und schon geht das Geschluchze wieder los. Ich lege meinen Arm um Svens knochige Schulter und vergrabe mein Gesicht an seinem Hals. Er hat angefangen, Aftershave zu benutzen, obwohl er noch gar nicht viel zu rasieren hat, und riecht dadurch fremd.
    „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie dich hassen.“
    Er streicht mir durch die Haare und verursacht mir damit eine heftige Gänsehaut. Merkwürdiges Gefühl.
    „Stimmt. Ich denke, ich bin ihnen einfach egal. Sie nehmen mich erst wahr, wenn sie etwas zu meckern haben.“
    Ich heule ihm das ganze Shirt voll.
    „Soll ich für dich singen?“, flüstert Sven. Er hat das so lange nicht mehr getan, da es ihm in den letzten Jahren peinlich war. Dabei würde ich das nie seinen Kumpels verraten.
    „Bitte“, schniefe ich.
    Er legt sich auf den Rücken und zieht meinen Kopf an seine Schulter. Scheinbar braucht er einen Moment, um sich zu sammeln. Als er beginnt, wird mir klar, warum er das so lange nicht mehr getan hat. Er hat den Stimmbruch hinter sich und klingt jetzt soviel tiefer. Wie gut mir das gefällt, sage ich ihm nicht. Das ist ihm wieder nur unangenehm.
    Ich schmiege mich an ihn und lege ein Bein über seine Oberschenkel, um mich von einem Schlaflied für Babys beruhigen

Weitere Kostenlose Bücher