Ungeplant (German Edition)
dahin, das habe ich jetzt verstanden.
Die Sonne geht gerade unter, als ich Sven mit Max auf der Terrasse finde. Es ist ein kühler Abend und die beiden liegen eingekuschelt auf der Hollywoodschaukel unter einer Decke. Sven beobachtet meinen Sohn dabei, wie der gegen den Schlaf kämpft.
Ich setze mich auf einen Stuhl neben die beiden und lege meine flache Hand auf Svens Rücken, was ihn dazu bringt, einen tiefen Seufzer auszustoßen.
„Soll ich Max hinlegen? Jana hat mir ein Reisebett gegeben. Wir können ihn bei dir nebenan schlafen legen und du siehst noch mal nach deiner Mama.“
Er nickt, wenn auch widerwillig, und lässt mich Max aus seinem Arm heben.
„Kann ich ihn heute Nacht wieder zu uns ins Bett holen?“, fragt er in einem flehenden Tonfall. Max ist das Einzige, was ihn im Moment von einem kompletten Zusammenbruch abhält. Das Gefühl kenne ich.
„Natürlich.“
Ich streiche über seine Wange, als er aufsteht, und schiebe ihn dann ins Haus.
Über zwei Stunden lang versuche ich einzuschlafen, doch Sven hat sich beschützend um Max gewickelt und nimmt soviel Platz im Bett ein, dass ich keine komfortable Stelle finde. Da ich aber einfach nur froh bin, dass er endlich schläft, wecke ich ihn nicht auf, damit er mir etwas Platz macht. Auf leisen Sohlen schleiche ich mich aus dem Schlafzimmer, in der Hoffnung in Svens Küche Tee zu finden.
Ich kenne diese kleine Einliegerwohnung zwar, aber seit er darin lebt, bin ich zum ersten Mal hier. Neugierig sehe ich mich in dem kargen Wohnzimmer um. Er hat immer noch keine Bilder aufgehängt und die meisten Kisten sind auch noch nicht ausgepackt. Die einzigen Möbelstücke bestehen aus einer verschlissenen Zweiercouch und einem alten Tisch, auf dem er seinen noch älteren Fernseher platziert hat. Hier werde ich keinen vernünftigen Schlafplatz finden.
Ich durchforste die Küchenschränke auf der Suche nach Teebeuteln, finde aber nur eine abgelaufene Packung Kekse. Dafür hält der Kühlschrank einen Schlaftrunk für mich bereit. Eine angebrochene Flasche Wodka. Die grelle Kühlschrankbeleuchtung blendet mich. Ich mache mir nicht die Mühe, nach einem Schnapsglas zu suchen und nehme stattdessen direkt einen großen Schluck aus der Flasche. Das brennende Gefühl in meiner Kehle lässt schnell wieder nach, dafür steigt mir aber sofort Hitze in die Wangen. Auf dem Boden, neben dem Kühlschrank, steht Svens Rucksack, aus dem ein vertrautes Notizbuch herausschaut. Ich stelle die Flasche zurück und schließe die Kühlschranktür. Jetzt ist die Küche wieder in Dunkelheit getaucht, obwohl der Horizont schon von den ersten Anzeichen des Sonnenaufgangs erhellt wird. Vorsichtig ziehe ich das Notizbuch aus dem Rucksack und nehme es mit ins Schlafzimmer. Ich setze mich an den Fuß des Bettes auf den Boden, um meine beiden Männer nicht zu wecken und zu lesen, was Sven in den letzten Tagen in Australien geschrieben hat. Der Lichtschein aus dem Badezimmer reicht gerade, um die Zeilen entziffern zu können. Zu meiner Überraschung sind gerade mal zwei Seiten mit Svens Handschrift gefüllt.
Mai 2012
In einer Woche geht mein Flug nach Hause. Es wird so was von Zeit. Irgendetwas stimmt nicht mit Lina. Ich weiß nicht, was es jetzt schon wieder ist. Vielleicht hat sie jemanden kennengelernt. Oder sie bekommt Panik bei der Aussicht auf meine Rückkehr.
Der Österreicher, mit dem ich mir in den letzten drei Wochen ein Zimmer teile, macht mich mit seinem Liebesgesäusel wahnsinnig. Jeden Morgen werde ich darüber wach, dass er einen Videochat mit seinem Freund hält. Dabei höre ich Dinge, die ich wahrhaftig nicht wissen muss.
Der Fairness halber muss ich wohl zugeben, dass ich ihm mit meinem Gequatsche über Lina auch ziemlich auf den Keks gehe.
Dies wird mein letzter Eintrag in Australien sein. Wenn ich nach Hause komme, dann werde ich alles tun, um Melina komplett für mich zu gewinnen. Egal was es kostet. Ich will ein Leben mit ihr. Wenn sie mich nicht will, dann werden wir einen klaren Schnitt machen müssen. Ich kann sie nicht mehr lieben, ohne sie haben zu dürfen.
Ich wische mir die Tränen aus den Augen und stehe vom Boden auf. Das Notizbuch lege ich auf die Fensterbank. Behutsam schmiege ich mich hinter Sven, um ihn nicht
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