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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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einmal ansehen?«
    Der Motelmann blickte eine Weile auf das Foto. Dann sagte er: »Ja. Er hatte eine Mütze auf, aber er nahm sie zwischendurch ab. Da sah ich diese komischen Metallstücke in seinem Kopf. Als ob ein Modellflugzeug auf seinem Kopf abgestürzt wäre.«
    Nyberg dachte einen Moment über treffende Vergleiche nach, fuhr aber dann fort: »Er war also kein Pole?«
    »Nein. Ich frage mich, ob er nicht Deutscher war. Er hat für eine Nacht im Voraus bezahlt, deshalb habe ich seinen Pass nicht gesehen.«
    »Können Sie es nachprüfen?«
    So geschah es. Mit der gewohnten Trägheit. Der Mann musste in einem früheren Leben ein Faultier gewesen sein. So roch er auch.
    »Doch, Deutscher. Manfred Rache aus Köln.«
    »Na so was«, sagte Gunnar Nyberg und verließ den Ort der Katastrophe.
    Auf dem Weg zu seinem Renault Laguna, mit dem er binnen einer Stunde von Stockholm hierhergefahren war, führte er ein Telefongespräch. Mit Polen.
     
    Als Kerstin Holm einnickte, wachte Jon Anderson auf. Beide Zustände waren flüchtig, Kerstin Holms zum Glück flüchtiger. Es war, als hätte sein Blick sie geweckt. Oder umgekehrt.
    »Jon«, sagte sie und legte vorsichtig die Hand auf seine.
    Seine Lippen bewegten sich. Sein Blick war völlig stumpf.
    »Lebe ich?«, fragte er röchelnd.
    »Das ist ein vorübergehender Zustand«, sagte Kerstin Holm und versuchte zu lächeln. »Wie fühlst du dich?«
    »Ich fühle gar nichts«, röchelte er. »Überhaupt nichts.«
    »Du bist betäubt, Jon. Sei ganz ruhig.«
    Einen Moment lang schwieg er. Versuchte, sie anzusehen. Es war, als ob sein Blick keinen festen Punkt fände. Als ob er die ganze Zeit abrutschte. »Dann ist jetzt alles aus?«, sagte er dumpf. »Alle wissen es?«
    »Der Glaskäfig ist zerbrochen«, sagte Kerstin Holm.
    Er bekam ein Schnaufen zustande. »Ich war so verdammt dumm«, röchelte er. »Ich habe vergessen, wer ich war.«
    »Oder du hast dich gerade daran erinnert. Endlich.«
    »Kerstin«, sagte er. »Das kann man nicht erklären. Es ist wie Freiheit für den Gefangenen.«
    »Ich habe das Gleiche gemacht«, sagte sie. »Genau zur gleichen Zeit. Aber sanktioniert und in den eigenen vier Wänden. Es ist kein Unterschied.«
    Er betrachtete sie. Sein Blick hatte sich stabilisiert. »Du bist hergekommen«, sagte er. »Einen Chef wie dich hatte ich noch nie.«
    »Im Guten wie im Schlechten«, sagte sie und lachte dünn.
    »Grüße die A-Gruppe und erzähle alles«, sagte Jon Anderson. »Alles.«
    Da klingelte ihr Handy. Sie hoffte, dass die nicht gerade topmoderne medizinische Apparatur nicht zusammenbrach. Sie holte das Handy aus der Tasche und wollte es abschalten.
    »Nimm es an«, sagte Jon Anderson. »Vielleicht ist es wichtig.«
    Sie nickte und meldete sich.
    »Es ist der Opa«, sagte eine vertraute Stimme.
    »Gunnar, du weißt doch, was ich dir über unsere Gespräche gesagt habe …«
    »Der Opa ist unser Rächer«, beharrte Gunnar Nyberg.
    »Großvater Kohutek. Er ist am Mittwochmorgen, dem fünften, mit dem Zug aus Poznán abgefahren, ist in Berlin umgestiegen und am Donnerstag in Helsingborg angekommen. Wahrscheinlich hat er dort einen Wagen gemietet und dann die Nacht in einem Motel in der Nähe von Linköping verbracht. Hat unter dem Namen Manfred Rache eingecheckt. Freitag Vormittag tauchte er dann in Frauenkleidern auf Elzbieta Kopanskas Station im Krankenhaus Huddinge auf. Am Montag, dem zehnten Juni, tötete der sechsundsiebzigjährige einarmige Mateusz Kohutek die Krankenschwester Elzbieta Kopanska in ihrer Wohnung mit einer Axt.«
    »Du bist fleißig gewesen.«
    »Das kann man so sagen«, erlaubte sich Gunnar Nyberg zu bestätigen.
    »Ich sitze hier bei Jon«, sagte sie. »Er ist bei Bewusstsein.«
    Einen Augenblick war es still im Handy. Ein unterdrückter Seufzer der Erleichterung. Dann sagte die Stimme:
    »Grüß ihn und sag ihm, dass der Glaskäfig zerbrochen ist.«
    »Das habe ich schon getan.«
    Sie beendete das Gespräch. Jon beobachtete sie immer noch. Sein Blick war matt, blieb aber fest auf sie gerichtet.
    »Gunnar Nyberg«, sagte Kerstin Holm. »Er hat Elzbieta Kopanskas Mörder gefunden. Dank deiner Vorarbeit. Es ist Mateusz Kohutek.«
    »Opa Kohutek?«, sagte Jon Anderson. »Ist er sicher?«
    »Sonst hätte er nicht angerufen.«
    »Entschuldigung. Natürlich. Es ist nur so sonderbar. Der alte Opa mit seinen vier Enkelkindern. Seine Tochter starb, als es wieder bergauf ging mit ihr.«
    »Wenn du nicht dasselbe tun willst, musst du versuchen,

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