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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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jetzt zu schlafen. Wir holen ihn.«
    Jon Anderson atmete schwer. Sein Blick war im Begriff, wieder die Richtung zu verlieren. Er sagte: »Nicht Opa Kohutek. Was soll denn aus den Kindern werden?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Kerstin Holm und legte ihre Hand auf seine.
    Jon Andersons Augen waren schon geschlossen, als er sagte: »Ich habe ihn schon einmal irgendwo gesehen.«
    »Wen?«
    »Den Messermann.«
     
    Eine graue Plattenbausiedlung am südlichen Stadtrand von Poznán. Man merkt, dass es nichts Ungewöhnliches ist, wenn ein paar Streifenwagen der Polizei mit Vollgas vorfahren. Und die Kinder auf dem Spielplatz reagieren auch nicht nennenswert auf die bewaffneten Bereitschaftspolizisten, die herausspringen und in den Hauseingang stürmen. Sie arbeiten sich nach oben, Treppe um Treppe, bis sie ins vierte Stockwerk gelangen. Dort sammeln sie sich um eine unansehnliche Tür, bilden einen Korridor mit ihren gepanzerten Körpern. Durch diesen Korridor treten die drei Beamten in Zivil an die Tür.
    Der Erste ist ein gut gekleideter Mann in den Vierzigern mit scharfem braunen Blick, der Zweite ein junger, sportlich trainierter Mann, die dritte Person ist eine zarte dunkelhaarige Frau.
    Der Gutgekleidete wirft einen Blick auf den Briefschlitz. Darauf steht ›Kohutek‹. Darunter klebt ein zur Hälfte abgerissenes Stück Papier, auf dem der Name ›Zazawska‹ gerade noch lesbar ist.
    Er klingelt und zieht einen Ausweis aus der Tasche.
    Ein etwa fünfjähriges Mädchen öffnet die Tür. Sie schaut heraus. Ihr Blick geht in den Korridor, der sich zwischen den großen Polizisten öffnet. Dann richtet sie den Blick auf den jungen sportlichen Mann, ihr Blick ist unendlich fragend.
    Herrgott, dachte Kerstin Holm.
    Ein alter Mann trat aus dem dunklen Wohnungsinneren und streichelte dem Mädchen den Kopf. Das Kind rannte davon. Aus dem Kopf des Alten ragten Metallstücke. Durch den Korridor der Bereitschaftspolizisten ging eine hörbare Bewegung.
    »Waffengeklirr«, sagte der alte Mann.
    »Kommissar Marek Wojcik von der Kriminalpolizei Poznán«, sagte der Gutgekleidete. »Dies hier sind Kriminalassistent Rafael Cazapiewski und Kommissarin Kerstin Holm aus Schweden.«
    Alles wurde flüsternd von Cazapiewski gedolmetscht.
    »Mateusz Kohutek«, stellte sich der Alte höflich vor und vollführte eine einladende Geste.
    Kommissar Wojcik hielt zwei Finger in die Höhe, und die beiden vordersten Polizisten liefen scheppernd in die Wohnung. Nach einer halben Minute schaute einer von ihnen heraus und nickte kurz. Wojcik trat ein. Cazapiewski und Holm folgten ihm.
    Die beiden Bereitschaftspolizisten standen rechts und links der Küchentür. Am Küchentisch saßen vier Kinder, auch das Mädchen, das geöffnet hatte. Wojcik nickte den Kindern kurz zu und schloss die Tür. Er deutete auf einen verschlissenen Sessel. Der Alte setzte sich. Die drei Beamten in Zivil setzten sich ihm gegenüber auf ein Sofa.
    »Wissen Sie, warum wir hier sind?«, fragte Wojcik.
    »Ich ahne es«, sagte Mateusz Kohutek und kratzte sich mit seiner einen Hand am Kopf. »Gestern war schon ein anderer schwedischer Polizist hier.«
    »Sie werden des Mordes an der Krankenschwester Elzbieta Kopanska in Stockholm verdächtigt.«
    »Aha«, sagte Kohutek.
    Wojcik wandte sich Kerstin Holm zu.
    Sie sagte: »Sie sind an zwei Stellen identifiziert worden, in einem Motel in Linköping und im Krankenhaus Huddinge. Wir können sicher noch weitere Zeugen für die Zugreise über Berlin und Hamburg nach Helsingborg auftreiben, und es dürfte kein großes Problem sein, die Autoverleihfirma in Helsingborg ausfindig zu machen. Meine Frage ist: Warum Frauenkleider?«
    Opa Kohutek wartete höflich Cazapiewskis Übersetzung ab, obwohl er offensichtlich Holms Englisch verstanden hatte.
    »Warum nicht?«, antwortete er auf Englisch. »Ich musste dies hier verbergen.«
    Und damit zeigte er auf seinen metallischen Kopf.
    »Erzählen Sie«, sagte Kerstin Holm.
    Der Alte vollführte mit seiner einen Hand eine gleichgültige Geste und sagte: »Meine Tochter Irina war gerade von ihrem Mann verlassen worden und stand mit vier Kindern allein da, als sie Brustkrebs bekam. Ich kümmerte mich um die Kinder, aber ihr ging es immer schlechter. Man setzte eine starke Chemotherapie ein, und die brachte die Wende. Es ging wieder aufwärts mit ihr, der Krebs ging zurück. Das Leben kehrte wieder. Sie erkannte die Kinder wieder. Wir machten Spaziergänge im Krankenhauspark. Die Ärzte sagte, ihre Prognose

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