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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Der ist ja ein richtiger Scherzkeks.«
    »Tu ich«, sagte Paul Hjelm und legte auf.
    Arto Söderstedts finnische Gedanken wanderten. Sie wanderten weite Wege. Hjelm ermittelt gegen Chavez. Jon Anderson wird in Polen niedergestochen. Mörderische polnische Krankenschwester wird in Schweden erschlagen. Chef von Schund-Fernsehsender wird von Fernsehkritiker erschossen. Kurdische Frau ermordet kurdischen Bruder. Moldawischer Schwimmtrainerzuhälter wird von Prostituierter ermordet. Und jetzt eventuell dieser Karelienfinne mit einem Stück seines Kopfs im Mund.
    Er lehnte sich im Kommissarsessel zurück. In dem Moment sah er die Konturen von etwas sehr Eigentümlichem. Es funkelte an der Decke. Ein gewaltiger schimmernder Engelsflügel.
    Das Telefon klingelte. Die Konturen verschwanden.
    »Du hattest recht«, hieß es im Telefon auf Finnisch.
    »Kiitos«, sagte Söderstedt und war zufrieden.
    »Aber die Fingerabdrücke waren schlecht.«
    »Ich weiß. Wer ist es?«
    »Geboren 1959 im finnischen Karelien. Zog im Alter von zehn Jahren mit der Familie nach Helsinki. Beging als Jugendlicher eine Reihe von kleineren Straftaten, Jugenderziehungsanstalt. Heiratete 1986 eine Marja-Liisa. Zwei Anklagen wegen Misshandlung seiner Ehefrau, beide Male wegen zurückgezogener Zeugenaussage freigesprochen. Wanderte 1988 mit seiner Frau nach Schweden aus. Weiter nichts in den finnischen Karteien. Und in den schwedischen ist er nicht vorhanden. Er heißt Juha-Pekka Niemelä. Beruf unbekannt.«
    »Ich schulde dir einen ordentlichen Koskenkorva, Risto.«
    Söderstedt nahm einen Stift. Misshandlung der Ehefrau. Hatte er das nicht im Gesicht des Toten erkannt? Wohl nicht genau. Aber immerhin konnte er über seine Intuition nicht klagen.
    Juha-Pekka Niemelä stand im Telefonbuch. Er lebte auf dem Lande bei Tungelsta. Söderstedt fuhr hin. Er hoffte, dennoch rechtzeitig zurückkommen und Paul treffen zu können. Hoffentlich in Begleitung eines Mörders.
    Arto Söderstedt hatte einmal eine unerwartete Erbschaft gemacht. Sie führte zu einem zweimonatigen paradiesischen Aufenthalt in der Toskana, einem gebrochenen Kiefer und ausgeschlagenen Zähnen, zu Nahkontakt mit den abschreckendsten Wesen der antiken Mythologie, einer Einsicht in das Wesen der Erbsünde sowie einem Minibus mit Namen Toyota Picnic. Von all dem gab es im Großen und Ganzen nur noch die ewig pannenanfällige Scheißkutsche, und er benutzte sie mit Vorliebe als Dienstwagen. Mit dem Rest seiner juristischen Fingerfertigkeit sorgte er nämlich dafür, dass die Reparaturkosten für ein auf Dienstfahrt zu Bruch gegangenes Fahrzeug von der Polizeikasse übernommen wurden. Das war zwar nicht ganz lupenrein, aber der letzte Rest des Erbes – und noch ein wenig dazu – war für die Einrichtung eines Kinderheims in der Ukraine gestiftet worden.
    Doch das war ein gut gehütetes Geheimnis.
    Es zuckte in den Zähnen, und wie um den stets gleichbleibend mystischen Schmerz zu besänftigen, drehte er den Schlüssel seines schicken Picnic im Zündschloss, hoffte, dass der Wagen nicht in den tiefsten Wäldern von Tungelsta den Geist aufgäbe, und verließ mit Vollgas die Garage des Polizeipräsidiums.
    Die Wälder von Tungelsta waren tatsächlich tiefer, als er sie sich vorgestellt hatte, und die Verkehrsdichte war erstaunlich gering. Zwischendurch fühlte er sich wie ein Kind allein im großen Wald. Der Wagen klang richtig ausgelassen, als er sich wie ein Elchkalb zwischen Kiefern und Fichten tummelte. Dann war er am Ziel. In einem guten alten Hui.
    Das Haus war größer, als er erwartet hatte; dafür lag es ungefähr so wie gedacht. Reichlich isoliert. Ohne störende Nachbarn.
    Die perfekte Lage für ungestörte Ehefrauenmisshandlung.
    Das Grundstück war unordentlich. Als er durch das Tor im hohen Zaun eintrat, erwartete er, von einem hungrigen Dobermann angefallen zu werden, doch das erwies sich als ein Vorurteil. Oder der Wauwau war ganz einfach schon verhungert. Das Haus wirkte nämlich ausgesprochen verlassen. Und es ist klar, dass ein Loch im Kopf nicht gerade förderlich ist für die Pflege eines Haushalts.
    Er klingelte. Niemand öffnete, aber er hörte ein schwaches Geräusch aus dem Innern. Eine Toilette wurde gespült. Er klingelte noch einmal, fest und bestimmt. Wie um zu zeigen, dass er Bescheid wusste.
    Endlich wurde die Tür geöffnet. Eine Frau blickte durch den Spalt. Sie war kaum über fünfunddreißig, sah aber alt und eingefallen aus. Ihr Blick zeigte offene Angst, und ein

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