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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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lächelte. Kurz. Scheu. Und sagte klar und deutlich: »Er hatte mir den Rücken zugewandt. Er saß ganz still. Ich ging zu ihm. Ich wusste, dass er sich jeden Augenblick zu mir umdrehen und das Messer in mich stoßen würde. Ich hätte schon tot sein müssen, als ich die Hand auf seine Schulter legte.«
    »Und trotzdem hast du es getan?«
    »Ja. Ich hatte noch Hoffnung.«
    »Welche Hoffnung?«
    »Dass er vielleicht mit mir reden würde. Wie früher, als wir Kinder waren.«
    »Du hattest ja die sieben Mittsommerblumen.«
    »Nicht richtig.«
    »Erzähl weiter.«
    »Ich hatte sechs von sieben. Das sind über fünfundachtzig Prozent. Ich habe es nachgerechnet. Vielleicht würde das reichen. Fünfundachtzig Prozent Magie. Eure Mittsommermagie. Wenn alles Verdrehte wieder richtig gedreht wird.«
    »Geht es wirklich darum bei unserer Mittsommermagie?«
    »Weißt du das nicht?«
    »Lassen wir das. In deiner Tasche waren sieben Blumen, Lera, nicht sechs.«
    »Ich weiß. Das kann man ein Wunder nennen.«
    »Erzähl.«
    »Ich legte die Hand auf Nedims Schulter. Er fiel nach vorn. Er war tot. Das große Messer saß fest in seiner Hand. Das ganze Hemd war blutig. Im Knopfloch seiner Brusttasche steckte die Akelei. Kommt, Lilien und Akeleien. Ich muss geschrien haben. In den Fenstern der Häuser gingen Lichter an. Ich gab ihm einen Abschiedskuss und lief nach Hause. Niemand folgte mir. Mir war klar, dass ich gefasst werden würde. Alle waren hinter mir her. Es gab nur einen sicheren Ort. Einen ruhigen Ort.«
    »Das Gefängnis«, sagte Sara Svenhagen und nickte.
    Einen Moment lang war es still. Sie betrachteten einander. Sara nickte Lena Lindberg zu, die zum ersten Mal das Wort ergriff.
    Es war das erste Mal, dass Lera ihre Stimme hörte. Sie war tiefer, als sie erwartet hatte. »Aber die Akelei hast du mitgenommen, Lera? Du hast laut geschrien vor Entsetzen und Trauer, und doch hattest du die Geistesgegenwart, die Akelei zu nehmen und in deinen Strauß zu stecken?«
    »Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich begriff. Da habe ich es getan, ohne irgendetwas dabei zu denken. Es gibt ein Wort dafür … Überschusshandlung.«
    »Übersprungshandlung«, sagte Lena Lindberg. »Gehen wir weiter. Es war also jemand anders, der deinen Bruder getötet hat, mit deinem Messer, das in deiner Tasche steckte. Das hört sich ziemlich unglaubhaft an.«
    »Ich weiß«, sagte Naska Rezazi und sah die beiden mit klarem dunkelbraunen Blick an. »Es macht kaum Sinn, es zu erzählen. Es ist zu unglaublich. Ich weiß nicht einmal, ob ich es selbst glaube.«
    »Wenn es so ist, dann kommt jetzt die wichtige Frage, Lera. Hör genau zu. Wer kann dein Messer gekannt haben? Und wer kann geahnt haben, dass du Blumen pflücken würdest?«
    »Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, sagte Naska-Rosa-Lera und verzog das Gesicht. »Aber ich weiß es nicht.«
    »Lass uns versuchen, den Personenkreis einzugrenzen«, sagte Lena. »Du bewegst dich hauptsächlich an drei Orten. Du arbeitest als Reinigungskraft. Du gehst an drei Abenden in der Woche ins Abendgymnasium. Und du machst einen Kurs in Selbstverteidigung für Frauen in dem Vereinsheim, wo du dich mit deinem Bruder verabredet hattest. Habe ich etwas vergessen?«
    »Nein. Das ist alles, was ich tue. Was ich tat.«
    »All dies ist in Tensta, nicht wahr?«
    »Ja. War in Tensta.«
    »Fangen wir mit dem Schweizer Klappmesser an. Wo hast du dein Messer gezeigt? Denn wir können wohl davon ausgehen, dass nicht dein Messer benutzt wurde, sondern ein anderes von derselben Art?«
    »Im Selbstverteidigungskurs. Aber ich zeige es ziemlich oft. Meine Schlüssel hängen daran. Ich benutze es als Schlüsselbundanhänger. Es ist so ein Allzweckmesser mit vielen Werkzeugen. Meine Arbeitskollegen haben es oft gesehen, und in der Schule öffne ich damit den Schrank.«
    »Also die Blumen. Du hast eine sehr eigentümliche Vorstellung von unserer nordischen Mittsommermagie. Woher kommt die?«
    »Ich habe viel darüber gelesen, als ich klein war. In der Mittsommernacht gibt es eine übernatürliche Kraft in allem, was wächst, in den grünen Baumzweigen, in den Kräutern am Boden, im Wasser der Quellen und im Tau, der fällt. Man soll sich nackt auf dem Boden rollen, um seinen Körper mit dem Mittsommertau zu befeuchten, und Tau ins Brot mischen und ihn in einem Laken sammeln und aufheben. Um Mitternacht blüht der Farn. Nur dann. Wer die magische Farnblüte in der Mittsommernacht sieht, wird ein gutes Leben bekommen, besonders wenn

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