Ungeschoren
(allerdings gegen deren Ende hin) vollzogen wurde. Die Verletzung führte jedoch schließlich zu dessen Ableben.‹«
»Igitt«, sagte Kerstin Holm.
»In Übersetzung«, sagte Bengt Åkesson, »hämmerte jemand eine Stichsäge in den Kopf des lebenden Mannes, sägte ein kreisrundes Knochenstück aus der Schädeldecke und steckte es ihm in den Hals. Dann starb er. Es fällt einem schwer, sich die letzte Minute seines Lebens vorzustellen.«
»Ich hab’s beim ersten Mal schon verstanden«, sagte Kerstin Holm gedämpft. »Wer ist der Mann?«
»John Doe«, sagte Åkesson.
»Also keine Ahnung?«
»Nicht vorbestraft, kein Ausländer. Seine Fingerabdrücke gehen gerade um die Welt.«
»Sonst nichts?«
Wieder sprach Sigvard Qvarfordt aus dem Mund von Bengt Åkesson: »Das Opfer ist gut vierzig Jahre alt. Relativ groß, 193 cm, leichtes Übergewicht, 104 Kilo. Dunkelblondes Haar mit beginnendem Haarausfall. Leicht geschrumpfte Leber, was auf ein Alkoholproblem hindeuten könnte.«
»Und nur die Grausamkeit, mit der der Mord ausgeführt worden ist, soll ihn zum Fall für die A-Gruppe machen?«
Åkesson wandte sich ihr wieder zu und versuchte, ihren Blick einzufangen. Wieder entzog sie sich.
»Das ist dein Argument, nicht meines«, sagte er, und sie meinte, diese Worte schon einmal gehört zu haben.
»Und was ist deines?«, sagte sie und erkannte auch das wieder.
»Es ist nicht meines, es ist das des Pathologen Reinhold von Sydow.«
Pause. Neues sprechendes Schweigen.
Dann fuhr er fort: »Gegen Ende unseres Gesprächs, nachdem ich ihn endlich hatte überzeugen können, dass die alte Dame mit Namen Ada Wennström unverletzt war, sagte er plötzlich: ›Was sagen Sie zu der Tätowierung?‹ Ich schaute Qvarfordts vorläufiges Protokoll an und fand nichts über eine Tätowierung. ›Sie sitzt in der rechten Kniekehle‹, fuhr unser Pathologe fort. ›Sie ist ziemlich klein. Das Wasser hat sie vergrößert. Es ist ein U.‹«
»Und …?«, sagte Kerstin Holm, weil sie eine Fortsetzung ahnte. Ihre Unterhaltung begann sich nach einem Muster zu formen.
»Ich habe im Großen und Ganzen das Gleiche gesagt. Da antwortete von Sydow: ›Es ist eine posthume Tätowierung.‹«
»Aha.«
Åkesson versuchte weiter, ihren abgewandten Blick einzufangen. Er fuhr fort: »Ich fragte natürlich, woher er das wissen könne, da er die Leiche doch nur unter Wasser gesehen habe. Da hat er geantwortet: ›Ich mache solche.‹«
»Er macht solche?«
»Es handelt sich offenbar um eine Kennzeichnung von Körperteilen bei irgendeiner Form von pathologischer Forschung. Frag mich nicht näher, ich will es gar nicht wissen. Scheißjob.«
»Und was hat Qvarfordt gesagt?«
»Ein sehr, sehr frustrierter Hundertvierjähriger ist noch einmal zur Leiche gegangen und hat festgestellt, dass es stimmt. Er sagte: ›Bei der eingehenden gerichtsmedizinischen Untersuchung wäre dies natürlich aufgefallen. Trotzdem ist es irritierend, dass es mir entgangen ist.‹ Ich streute ein bisschen Salz in die Wunde und sagte: ›Aber du musst sie doch gesehen haben.‹ Er sagte: ›Ich kann doch nicht jedes kleine bedeutungslose Mal protokollieren.‹«
»Kann man wirklich einen Unterschied zwischen einer posthumen und einer anderen Tätowierung erkennen?«
»Ein trainiertes Auge kann es offenbar. Und in seiner ›eingehenden gerichtsmedizinischen Untersuchung‹ bekräftigt es Qvarfordt. Du findest es hier in der Mappe. Aber ich kann sie zurücknehmen, wenn du sie nicht haben willst.«
Dann war es so weit. Kerstin Holm wandte sich ihm zu und begegnete seinem Blick. All dem Blauen, das er ausstrahlte. Verdammt.
»Ein U?«, fragte sie skeptisch und griff vorsichtig nach der Mappe, die er ihr hinhielt.
Åkesson ließ noch nicht los und nickte, mit dem Blick in ihrem. »Zuerst sägt man ein kreisrundes Loch in den Schädel eines lebenden Menschen. Dann steckt man dem noch lebenden Menschen das Schädelstück in den Rachen. Wie eine Oblate beim Abendmahl. Dann wartet man, bis er stirbt. Danach tätowiert man ein drei Millimeter großes U in die rechte Kniekehle des Toten und lässt ihn ins Wasser des Mälarsees hinab. Mit wem spricht man?«
Sie nickte. »Mit der Polizei.«
»Mit welcher Polizei?«
Sie verzog das Gesicht und begegnete wieder seinem Blick. »Ach so«, sagte sie. »Meinst du?«
»Weiß nicht«, sagte er. »Aber man kann, nur als Hypothese, sich vorstellen, dass er diese spektakuläre Form gewählt hat, um die Aufmerksamkeit einer bestimmten
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