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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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er sie in einem Beutel am Körper trägt. Und man soll sieben Sorten Blumen pflücken, damit die Wünsche, die man hat, in Erfüllung gehen. Wenn man sie an einer Weggabelung mit drei Wegen pflückt, sollen es neun Sorten Blumen sein, und man darf sie nur schweigend pflücken. Man soll nackt an neun Gräben in einem Roggenfeld entlanglaufen, dreimal gegen den Uhrzeigersinn um ein Roggenfeld laufen und über neun Holzzäune springen. Man soll rückwärts um eine Kirche gehen, und man muss schweigen, allein sein und sich gegen den Uhrzeigersinn bewegen, drei- oder neunmal. Und alles kann geschehen, denn alles, was verkümmert und verzerrt ist, bekommt wieder Leben. Nur vor Pionien soll man sich hüten, denn in Pionien steckt Krebs. Aber es war keine Pionie. Es war eine Akelei. Das weiß ich jetzt. Und die Akelei ist gut.«
    Lena und Sara musterten Lera. Die Formbare.
    »Du hast vieles gelernt«, sagte Lena Lindberg. »Viel mehr, als ich über meine eigenen Wurzeln wusste. Wir haben es nicht so mit den Wurzeln in Schweden.«
    »Das solltet ihr aber.«
    »Vermutlich. Aber ich frage mich, ob du nicht etwas ausgelassen hast.«
    »Was denn?«, sagte die junge Frau und sah plötzlich unangenehm berührt aus. Als wüsste sie schon.
    »Ist Mittsommer nicht eine stark sexuelle Zeit? Eine Zeit der Fruchtbarkeit? Sieh dir die Mittsommerstange an. Das ist doch ein gigantischer Phallus. Ein Penis.«
    »Und bei den sieben Sorten Blumen«, sagte Sara Svenhagen, »geht es doch wohl darum, dass man seinen Zukünftigen im Traum sieht. Den man heiraten und mit dem man tausendmal und öfter Sex haben wird.«
    »Nein«, sagte Naska-Rosa-Lera mit Entschiedenheit und sah sie fest an. »Es dreht sich darum, dass Wünsche in Erfüllung gehen.«
    »Okay«, sagte Lena Lindberg und nickte. »Und mit wem hast du darüber gesprochen?«
    »Mit ziemlich vielen, glaube ich. Ich mag Mittsommer.«
    »Ein Teil davon, auf jeden Fall …«
    »Das Wichtigste steht aber noch aus«, sagte Sara Svenhagen und stand auf. »Wer kann gehört haben, dass du dich mit Nedim verabredet hast? Wer kann das Telefongespräch am Abend vorher mitgehört haben?«
    »Niemand«, sagte Naska-Rosa-Lera und senkte zum ersten Mal den Blick. »Es ist ganz unmöglich.«
    Sara Svenhagen nickte. »Ja«, sagte sie. »Das wirkt eigenartig. Es ist gut, dass du trotzdem versuchst, uns zu helfen, Lera. Das ist eine kluge Entscheidung. Vielleicht ist es dann jetzt an der Zeit, dich freizulassen?«
    Die junge Frau erstarrte. »Nein«, sagte sie. »Nicht das.«
    Sara nickte wieder. »Dann bleiben wir dabei, dass du weiterhin unter Verdacht stehst, wenn das okay ist. Unter starkem Verdacht.«
    Ein kurzes, kurzes Lächeln huschte über das Gesicht der Frau, die einmal Naska Rezazi geheißen hatte. »Das ist okay«, sagte sie.
    Die beiden verließen sie. Es war Nachmittag. Ein eigentümlich zauberisches Licht hing im Korridor. Als wäre Mittsommernacht.
    »Lera?«, sagte Lena Lindberg und sah ihre Kollegin fragend an. »Weil sie formbar ist?«
    »Ja«, sagte Sara Svenhagen, »teilweise deshalb. Aber das sind auch wir. Du und ich.«
    »Wir?«
    »Lera ist Lena und Sara. Le-ra.«
    »Glaubst du?«
    »Sie kennt nicht viele erwachsene Frauen, mit denen sie sich identifizieren konnte. Warten wir mal ab, welchen Nachnamen sie sich einfallen lässt. Lindhagen oder Svenberg?«
    »Svenberg ist nicht so schön …«
    »Nein«, sagte Sara. »Aber Lindhagen ist hübsch. Lera Lindhagen.«
    »Unerhört. Es muss also jemand ihr Telefon abgehört haben. Oder wie sollen wir das sehen?«
    »Es gibt immer noch zweifelhafte Momente in ihrer Aussage. Ein abgehörtes Telefon kommt mir ziemlich weit hergeholt vor. Es muss jemand im Zimmer gewesen sein, als sie das Gespräch von ihrem Bruder angenommen hat. Zu Hause bei ihr. Ich glaube, es gibt noch Dinge, die sie nicht sagt.«
    Sie gingen an Kerstin Holms Tür vorbei.
    Lena blieb stehen. »Ich will nur ein paar Worte mit Kerstin wechseln«, sagte sie, klopfte an und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten.
    Kriminalkommissarin Kerstin Holm saß an ihrem Schreibtisch und hielt den Kopf in einem komischen Winkel, als wäre ihr ohne jede Vorwarnung das Genick gebrochen. Ihr Blick war starr zur Decke gerichtet, genauer gesagt, zur inneren linken Ecke. Lena Lindberg folgte ihrem Blick. Sie sah nichts.
    Kerstin Holm brachte den Nacken wieder in Normallage, errötete und sagte streng: »Man geht nicht einfach so in ein Zimmer.«
    »Ich habe geklopft«, sagte Lena

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