Ungestüm des Herzens
nicht selbst tun könnten?« sagte Manuel nicht ganz ohne Entrüstung.
»Ich nehme an, du hast recht.« Ihr fielen die soldados ein, die sie das letzte Mal hinzugezogen hatten, als Rinder gestohlen worden waren. Sie waren nicht direkt darauf versessen gewesen, dem americano zu helfen, wie sie ihren Vater nannten. »Aber was konkret unternimmt mein Vater dagegen?«
»Er hat Männer auf die Spuren angesetzt, aber nach ein paar Meilen hören alle Spuren auf. Seit sie das letzte Mal hier waren, hat er um die Ranch herum Männer aufgestellt, die nachts Wache halten. Die Rinder und Pferde werden in die Nähe der Gebäude gebracht, und es sind ständig Menschen in der Nähe.«
»Ist das alles?«
»Was könnte er sonst tun, niña ? Die rancho ist zu groß. Die bandidos kennen unsere schwachen Stellen, und sie schlagen nur zu, wenn niemand da ist. Man sieht sie nie.«
»Du hast sie gerade als Banditen bezeichnet. Du glaubst also doch, dass es EI Carnicero ist.«
»Du verstehst mich nicht richtig, Sam«, sagte Manuel eilig. »Es gibt viele bandidos, nicht nur diesen einen.«
»Ich wünschte, diesem einen würde ich begegnen«, sagte Samantha impulsiv.
»Madre de Dios!« rief Manuel aus. »Du solltest darum beten, diesen Mann nie zu sehen, niña . Es heißt, dass er gringos rasend hasst und sie genüsslicher tötet als seine schlimmsten Feinde. «
Samantha wechselte das Thema. »Was weißt du sonst noch über diesen Mann?«
Doch Manuel stand jetzt auf. »Du hältst einen alten Mann von seiner Arbeit ab, niña . Für heute hast du genug gefragt.«
»0 nein, Manuel!« Sie hielt ihn am Arm fest und zog ihn wieder auf die Stufen. »Du weißt mehr, nicht wahr?«
»Sam ... «
»Sag es mir.«
Er seufzte. »Ich habe ihn ein einziges Mal gesehen. Das war vor vielen Jahren. Es war damals, als el patrón mich nach Mexiko geschickt hat, um den großen Trog zu holen, in dem du badest.«
»Meine Badewanne?« Sie grinste.
»Si. Auf dem Rückweg von Mexico City war ich in einer Kleinstadt in einer cantina - an den Namen der Stadt kann ich mich nicht mehr erinnern. Dort hatte man EI Carnicero hingebracht. Soldados hatten ihn gefangengenommen, als er beim Überfall auf ein nahe gelegenes Dorf verwundet worden war. Sie wollten ihn nach Mexico City bringen. Es hieß, dass der bandido jeden einzelnen Bewohner des Dorfs massakriert hat, und nicht einmal eine Frau oder ein Kind waren noch am Leben, um die Schrecken zu schildern.«
Samantha erbleichte. »Hast du das geglaubt?«
»Warum hätten die soldados lügen sollen? Sie waren dort. Sie haben das gesehen. Aber das war während der Revolution, niña . So was ist oft vorgekommen - Unschuldige auf beiden Seiten, die von den Armeen beider Seiten getötet worden sind.«
»Willst du damit sagen, dass EI Carnicero damals ein Soldat war, ein guerillero?«
»Es heißt, dass er im Krieg auf beiden Seiten gekämpft hat, immer auf der Seite, die gerade gewann. Ich weiß nicht, ob das wahr ist. Man darf nicht alles glauben, was man hört«
»Aber was war, als du ihn gesehen hast? War er wirklich schrecklich hässlich ? Lana sagt es.«
Manuel zuckte die Achseln. »Wer kann schon sagen, ob ein Mann hässlich ist? Ich konnte ihn kaum sehen vor lauter Schmutz und Blut.«
»Aber war er groß oder klein? Fett? Oder was sonst?«
Manuel strengte sich an, sich zu erinnern. »Es war ein kleingewachsener Mann mit schwarzem Haar. Sein Körper war wie ein Fass , und seine Arme waren lang und etwa so. « Er legte seine Fingerspitzen zusammen und beschrieb mit seinen Armen einen Kreis. »Wenn man sagen kann, dass ein Mensch hässlich ist, weil er aussieht wie der Teufel persönlich, dann si, dann war er häss lich. Ich habe noch nie einen hombre gesehen, der so heimtückisch ausgesehen hat.«
»Hat man ihn nach Mexico City gebracht?«
»Nein, niña . Er wäre längst tot, wenn er nicht an jenem Tag vor meinen Augen entkommen wäre, als gerade die meisten soldados in der cantina zu tun hatten. Einige seiner Anhänger hatten sich heimlich in die Stadt geschlichen. Sie haben seine Wächter getötet, und er ist entkommen. Daher kommt es, dass er immer wieder plündert und massakriert.«
»Das tut er hier allerdings nicht. Töten, meine ich«, sagte sie versonnen.
»Nein, das tut er nicht.«
Samantha stand auf, um zu gehen. Sie war entschlossen, aus ihrem Vater herauszubringen, was in den Nachrichten gestanden hatte. Sie war in diesen Gedanken vertieft, als sie ins Haus trat. Nach zwei Schritten
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