Ungestüm des Herzens
während ich auf dich gewartet habe - mehrere Stunden lang.«
Samantha ignorierte diesen Vorwurf. »Wo ist er?«
»Er ist gegangen, weil ihm ein Feuer gemeldet wurde.«
»Die Hütte im Westen?«
»Si.«
»Verdammt noch mal. Ich wollte mit ihm reden. jetzt kann man nicht wissen, wann er zurückkommt.«
»Dann unterhalte dich statt dessen doch mit mir.« Ram6n trat hinter sie. »Ich habe Ewigkeiten darauf gewartet, dich wiederzusehen. Komm, setz dich zu mir.« Er deutete auf das große Sofa.
Eine Stunde lang ließ sie sich von ihm ablenken und vergaß ihren Vater und diese mysteriösen Nachrichten. Doch sobald Ramón gegangen war, kehrten ihre Gedanken wieder zu EI Carnicero zurück. Was ging hier wirklich vor? Sie war sicher, dass ihr Vater es wußte. Diesmal würde sie sich nicht mit ausweichenden Antworten zufriedengeben.
Erst Stunden nach dem Mittagessen kehrte Hamilton Kingsley zurück. Samantha schlief. Ihr Vater ließ sie schlafen.
15
Samantha erwachte bei Einbruch der Dämmerung und stellte augenblicklich fest, dass sie vollständig angekleidet war. Sie hatte die Gelegenheit ver pass t, mit ihrem Vater zu sprechen. Das wollte sie jetzt gleich tun, ehe er Gelegenheit zu neuen Ausflüchten hatte. Notfalls würde sie vor seiner Tür auf ihn warten, damit er sich nicht davonschleichen konnte. Sie wusste , dass er sie nicht mit der Wahrheit konfrontieren wollte, nicht jetzt, nachdem er versucht hatte, ihr einzureden, dass alles in Ordnung war. Nein, sicher wollte er sie nicht sehen.
Sie riss sich eilig das grüngestreifte Leinenkleid herunter und zog einen beigen Wildlederrock an, der vorne geschlitzt war und nur bis auf ihre Waden reichte. Selbst für die kühle Morgenluft reichte eine safrangelbe Bluse aus schwerem Leinen, doch sie griff trotzdem nach ihrer Wildlederjacke mit den Fransen, die zu dem Rock pass te. Von allen Kleidern, die sie für sich selbst entworfen hatte, gefiel ihr dieses Kostüm am besten. Sie fühlte sich darin wie ein Cowgirl. Sie fühlte sich gerne der Landschaft angemessen, den rauhen Elementen ange pass t.
Sie zog ihre hohen Lederstiefel an. Ihre gesamte Reitkleidung pass te ihr noch. Es machte nichts, dass die Röcke etwas zu kurz geworden waren. Sie hatten ohnehin schon immer recht gewagt kurz über ihren Knöcheln aufgehört, und es spielte keine große Rolle, dass sie jetzt vielleicht fünf Zentimeter kürzer waren. Ihre Taille war noch so schmal wie vor drei Jahren, aber viele Blusen waren jetzt etwas eng.
Der Pistolengürtel, den sie bei ihren Ausritten immer trug, hing über dem Fußende des Bettes, aber sie brauchte ihn sich jetzt noch nicht umzuschnallen. Sie grinste, als sie auf den Gedanken kam, dieser Umstand könnte ihren Vater im Lauf ihrer Unterhaltung einschüchtern. Wenn alles geregelt war und sie sich zu ihrem morgendlichen Ritt aufmachte, würde sie ihren Pistolengürtel und ihren Hut holen.
Samantha zog ihren Rock gerade und kämmte sich flüchtig. Dann band sie sich die Haare zurück. Draußen war es schon richtig hell. Sie trat ans Fenster, um sich anzusehen, wie der Tag werden würde, und in dem Moment sah sie den Rauch.
Es war eine große graubraune Rauchwand, die jeden Moment höher wurde und drohte, die wunderbaren Berge hinter sich zu verstecken. Sie war weit weg, so weit, dass es ... die Kornfelder!
»Zum Teufel mit diesen Mistkerlen«, schrie sie. Sie hielt sich am Fenstersims fest und wollte einfach nicht glauben, was sie mit eigenen Augen sah. Statt an einer Stelle zu bleiben und weiterhin anzuwachsen, bewegte sich die Rauchwand erst nach Süden, dann nach Norden und breitete sich in beide Richtungen weiter aus. Nach einer Weile sah sie nichts anderes mehr als Rauch, unbarmherzigen Rauch.
Mit einem Aufschrei griff Samantha nach ihrem Pistolengürtel und ihrem Hut und lief aus dem Zimmer. Sie pochte zweimal an die Tür ihres Vaters, ehe sie in sein Zimmer stürzte.
»Sie haben die Felder im Westen in Brand gesteckt!«
Hamilton verschlug es vor Verblüffung die Sprache.
»Steh auf!« schrie Samantha. »Es ist zu spät, um die Felder noch zu retten, aber Juan ist mit seinen Leuten in den Feldern. Sie könnten tot sein.«
Das nutzte etwas. Hamilton schwang sich aus dem Bett, denn die Neuigkeiten waren endlich in sein schlafumnebeltes Gehirn vorgedrungen.
»Ich mache die Pferde fertig und wecke die Männer«, rief Samantha. Sie wandte sich um, um den Raum zu verlassen.
»Warte, Sam! Du kommst nicht mit.«
Doch sie rannte schon durch
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