Ungestüm des Herzens
den Flur. Er wußte verflucht gut, dass seine Anweisung ohnehin auf taube Ohren stieß.
Hamilton verfluchte den Tag, an dem er diese grünen Augen zum ersten Mal sein Herz erobern ließ. In den ersten Jahren, die sie gemeinsam verbracht hatten, war sie ein so trotziges kleines Geschöpf gewesen. Er hatte sie schrecklich verzogen, seine neue Tochter, die Tochter, die er erst nach neun Jahren zu sich hatte holen können. Nach all der Zeit, die sie getrennt gewesen waren, hatte er das Gefühl gehabt, sich ihre Liebe verdienen zu müssen. Er hatte alles getan, worum sie ihn gebeten hatte.
Es war seine Schuld, dass sie so unabhängig war, so willensstark. Es war auch seine Schuld, dass sie manchmal ein regelrechter Lausbub war. Er hatte gehofft, die Schule im Osten würde dagegen angehen, aber daraus war nichts geworden. Er schnitt eine Grimasse, als er an die Aufmachung seiner Tochter in ihrer Wildlederkleidung und mit der Pistole dachte, die sie umgeschnallt hatte. Seine Samantha ... ein besserer Schütze als er selbst! Das war nicht richtig. Es hätte ihr fernliegen sollen, eine Waffe mit sich herumzutragen und eigenständig auf dem Gelände auszureiten. Statt dessen hätte sie Seide und Spitze tragen sollen.
Warum muss te sie so verdammt ... anders sein? Doch er liebte sie, sein einzigartiges Kind. Trotz all ihrer aufbrausenden Launenhaftigkeit und ihrer Hartnäckigkeit bedeutete sie ihm die Welt. Sheldon hatte er nicht mehr gesehen, seit er ein kleines Baby war. Das hatte ihn jahrelang sehr geschmerzt, doch jetzt hatte er sich damit abgefunden, dass er keinen Sohn hatte. Samantha war alles, was ihm geblieben war.
Sie ritt los, als er ins Freie trat. Hamilton stieg auf sein Pferd und ritt ihr nach, nachdem er zehn der besten Reiter ausgewählt hatte.
Er konnte es sich nicht leisten, alle Männer mitzunehmen. Es bestand die Gefahr, dass es eine Falle war, dass das Feuer nur in Brand gesetzt worden war, um alle vom Haus fortzulocken. Dann hätte er das Haus in lodernden Flammen vorfinden können, wenn er zurückkehrte. Insofern war es ihm doch recht, dass Samantha mit ihm kam. So konnte er sie im Auge behalten. Er wußte, dass es seinen Tod bedeuten würde, wenn diesem Mädchen jemals etwas zustieß.
Seit er die erste Nachricht erhalten hatte, wußte Hamilton mit Bestimmtheit, dass alles EI Carnicero zuzuschreiben war. Dieser elende Schurke! Die Dreistigkeit, Hamilton zu befehlen, Mexiko zu verlassen! Es war absurd, und dennoch sorgte der Bandit dafür, dass Hamilton sich ernstlich mit diesem Ultimatum auseinandersetzte. Doch jetzt wollte er sich von einem Verbrecher nichts mehr diktieren lassen. Eine ganze Armee von Männern würde er sich kaufen, ehe er abzog. Er würde diesen Schlachter aus seinen Bergen vertreiben. Und nach diesem heutigen Angriff war es an der Zeit, diesen Schritt ernstlich zu erwägen.
Sie kamen näher, und der Rauch wurde dichter. Samantha hatte recht gehabt - es war zu spät, um die Felder zu retten. Die Erde war schwarz vernarbt und brannte nicht mehr, doch das kleine Lager aus strohgedeckten Hütten, in dem die Feldarbeiter während der Ernte und der Aussaat wohnten, ließ immer noch schwarzen Rauch zum Himmel aufsteigen.
Samantha ritt geradewegs auf die Hütten zu, ehe Hamilton sie aufhalten konnte. Sie war die erste, die Juan sah. Er lehnte an einem knorrigen Baumstamm und hielt den Kopf in den Händen. Sein kleiner Sohn kniete neben ihm und blickte zu seinem Vater auf.
»J uan!« schrie Samantha, während sie von ihrem Pferd glitt und sich über die beiden beugte.
Das Kind war nicht älter als sieben Jahre, und seine Augen waren vor Entsetzen aufgerissen. Juan weinte und presste seine Hände an die Sti rn , in der eine tiefe Wunde klaffte.
»Patrona?« Er sah benommen zu ihr auf. »Ich habe versucht, sie daran zu hindern.«
»Natürlich hast du das getan, Juan«, erwiderte sie leise.
»Es waren zu viele.« Er murmelte nur noch. »Einer von ihnen hat mir eine Flinte über den Kopf geschlagen, aber ich habe nicht aufgegeben - bis sie gesagt haben, dass sie meinen jijo töten.«
»Es ist nicht deine Schuld, Juan. Dein Leben und das Leben des Jungen sind wichtiger.«
Er schien sie zu verstehen. Doch plötzlich packte ihn die Angst, und er griff nach ihrem Arm.
»Du bist doch nicht allein, patrona? Bitte! Sag, dass du nicht allein hierhergekommen bist.«
»Mach dir keine Sorgen, Juan. Mein Vater ist hier. Wir bringen dich sicher zur Ranch.«
»Nein! Ihr müss t gehen - schnell.
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