Ungestüm Wie Wind Und Meer
gefasst.« Lord Marchmont neigte sich Spencer noch näher zu. »Sie glauben, die Übriggebliebenen könnten es an unserer Küste versuchen.«
»Aber stellt Euch nur vor, meine liebe. Hier auf dem Lande lebt er nach demZeitplan der Stadt. Steht erst gegen Mittag auf.« Ein undamenhaftes Schnauben entfuhr Lady Marchmont. »Das muss sich natürlich ändern. Er braucht Hilfe bei der Umstellung. Es fällt ihm wohl schwer, sich nach so vielen Jahren wieder ans Landleben zu gewöhnen.«
Kit zog die Brauen zusammen. Als sie Lady Marchmonts verwunderten Blick bemerkte, glättete sie rasch ihre Miene und nickte ernst »Ihr habt gewiss recht, Ma'am.«
Ihre Ladyschaft blinzelte. Kit wurde klar, dass sie irgendetwas falsch verstanden hatte, und sie versuchte, sich auf die Worte ihrer Ladyschaft zu konzentrieren statt auf die ihres Lords.
Lady Marchmonts Gesicht hellte sich auf.
»Ach - Ihr stellt ihn Euch als Gecken vor? Aber keineswegs!«Sie winkten mit der pummeligen Hand ab, und Kits Gedanken wanderten erneut.
»Hendon schlägt vor, dass ich die Botschaft unbemerkt weitergebe. Nur an die richtigen Leute, versteht sich.« Lord Marchmont stellte seine Teetasse ab.
»Er kleidet sich sehr korrekt - das liegt wohl am Einfluss des Militärs. Doch davon versteht Ihr mehr als ich, schließlich seid Ihr erst kürzlich aus London zurückgekommen.« Lady Marchmont saugte an einem ihrer dicken Finger. »Elegant«, betonte sie. »Elegant würde ich ihn nennen.«
Kits Augen trübten sich. In ihrem Kopf drehte sich alles.
»Nein, wirklich?« Spencer musterte Lord Marchmont listig.
Lady Marchmont beugte sich vor und flüsterte: »Lucy Cartwright hat ihn für ihre Älteste, Jane, ins Auge gefasst. Doch daraus wird nichts.«
»Denkt wohl, er könnte ein bisschen Unterstützung gebrauchen, wenn es zum Äußersten kommt«, erklärte Lord Marchmont. »Die Truppen sind ja heute ein bisschen ausgedünnt.«
»Ich halte ihn nicht für einen Mann, der sich eine junge Ehefrau wünscht. Er ist ein ernsthafter Mann, mindestens fünfunddreißig. Da wäre eine etwas reifere Frau ihm viel nützlicher. Die Herrin von Castle Hendon erwartet eine Vollzeit Beschäftigung. Für einen kichernden Backfisch ist das nichts.«
Spencers bellendes Lachen hallte durch den Raum. »Das ist wahr. Habt Ihr von den Razzien draußen bei Sheringham gehört?«
Ihr Großvater und sein Gast besprachen die letzten Einsätze der Schutztruppen. Kit nahm die Gelegenheit wahr, sich auf ihre Ladyschaft zu konzentrieren.
»Sicher, er hinkt, aber das behindert ihn nicht ernstlich. Und als Gegengewicht dazu hat er schließlich das gute Aussehen der Hendons.«
Kit bemühte sich, ein halbwegs interessiertes Gesicht zu machen. Lady Marchmont hatte sich in Begeisterung geredet »Nun, liebe Kathryn, wir müssen wirklich überlegen, wie wir das arrangieren, nicht wahr?«
Der Raubvogelblick der Dame ließ die Alarmglocken schrillen. Kit verlor jegliches Interesse. Du liebe Zeit - Lady Marchmont versuchte, sie mit Lord Hendon zu verheiraten! ,
Zu Kits maßloser Erleichterung wählte Jenkins just diesen Augenblick, um mit dem Teetablett einzutreten. Ohne diese Unterbrechung zur rechten Zeit hätte sie die heftige Ablehnung, die ihr auf der Zunge lag, nicht mehr hinunterschlucken können.
Beim Tee wandte man sich allgemeineren Themen zu. Dank ihrer Übung in bedeutend anspruchsvollerer Gesellschaft als der derzeitigen, konnte Kit ihren Teil beitragen.
Plötzlich schlug Spencer sich auf den Oberschenkel. »Hab ich's doch fast vergessen!« Er blickte Kit an. »Für dich ist ein Brief gekommen, meine liebe. Dort aufdem Tisch.« Mit einer Kopfbewegung wies er auf einen kleinen Tisch beim Fenster.
»Für mich?« Kit stand auf, um den Brief zu holen.
Spencer nickte. »Von Julian. Ich habe auch einen bekommen.«
»Julian?« Kit ging zurück zum Sofa und betrachtete die unverkennbare Kritzelschrift ihres jüngsten Vetters auf dem Umschlag.
»Nun lies ihn schon. Lord und Lady Marchmont werden dich gewiss entschuldigen.«
Lord Marchmont nickte gnädig, seine Gattin eher begierig. Kit brach das Siegel der Cranmer und überflog die Zeilen mit den zahlreichen Ausstreichungen und zwei dicken Tintenklecksen. »Er hat es getan«, hauchte sie dann. »Er hat sich freiwillig gemeldet!« Mit strahlendem Gesicht blickte Kit auf und sah ihre Freude für Julian in den Augen ihres Großvaters gespiegelt Spencer nickte. »Ja. Wurde auch Zeit, dass er seinen eigenen Weg ging. So macht er sein Glück,
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