Ungestüm Wie Wind Und Meer
Schatten da. Jack war im Begriff, sich wieder abzuwenden, als er in den Augenwinkeln eine leichte Bewegung bemerkte. Sogleich waren alle Sinne hellwach. Regungslos blickte er, an die Dunkelheit gewöhnt, auf den Weg hinab. Im Schatten löste sich ein noch dunklerer Schatten aus dem Schutz der Bäume und strebte behutsam hügelan.
Matthew, gewarnt durch die plötzliche Stille, hatte ebenfalls sein Pferd gezügelt und sah nach unten. Er neigte sich vor und flüsterte in Jacks Ohr. »Kit?«
Jack nickte. Ein unverkennbar diabolisches Lächeln stahl sich auf seine Lippen. »Reite weiter zum Haus«, flüsterte er. »Ich werde unseren jugendlichen Freund zu einem Drink einladen.«
Matthew nickte, gab seinem Tier die Fersen und ritt in südlicher Richtung auf dem schmalen Weg davon.
Jack drängte Champion vorn Weg und tief in den Schatten einer Baumgruppe hinein
Kits Neugier kam ihm wie gerufen, denn Jack sah nur ungern einer weiteren Nacht wie der vorigen entgegen, in der er sich von einer Seite auf die andere gewälzt hatte und sich seine Gedanken lächerlicherweise immerzu nur um diesen Grünschnabel drehten. Gab es eine bessere Heilung von seiner idiotischen Besessenheit als den Bengel zu einem Brandy einzuladen? Bei Licht besehen, würde er in Kit bestimmt den Burschen erkennen, der er war, und damit seine in die Irre geleiteten Sinne zur Vernunft bringen.
Als sie sich der Wegsteigung näherte, gewahrte Kit dass das regelmäßige Hufgetrappel oberhalb von ihr aufgehört hatte. Sie zog die Zügel straff, lauschte angestrengt und ritt behutsam weiter. Als sieerkannte, wohin der Weg führte, stoppte sie und hielt den Atem an. Dann setzte der Hufschlag wieder ein. Mit einem Seufzer der Erleichterung zählte sie noch einmal bis zwanzig und ritt hügelan. Von der Hügelkuppe aus sah sie den Weg unschuldig und leer durch die Wiesen führen. Vor ihr begrenzte eine Baumgruppe, die lange Schatten warf, den Pfad. Sie hielt inne, lauschte, aber das Hufgetrappel setzte sich fort obwohl die Reiter dank der Bäume unsichtbar blieben.
Alles war soweit in Ordnung. Kit grub die Fersen in Delias Weichen. Die Stute brach seitwärts aus. Verunsichert drängte Kit sie vorwärts. Deha scheute.
Kit überkam wieder das Gefühl, beobachtet zu werden. Ihr Magen krampfte sich zusammen, die Augen weiteten sich. Sie schaute nach links. Dort reihte sich Wiese an Wiese: Der Fluchtweg war frei! Ohne lange zu überlegen, setzte sie mit Delia über die Hecke. Die Stute brannte darauf loszustürmen, nahm die Hecke problemlos und galoppierte begeistert davon.
Unter den Bäumen neben dem Weg fluchte Jack aus vollem Herzen. Er wollte verflucht sein, wenn der Bengel ihn diesmal wieder abhängen sollte! Er gab Champion die Fersen, und der Graue nahm die Verfolgung auf.
Jack musste seinen übereifrigen Hengst bremsen. Ihm reichte es, Kits auf und nieder hüpfendes Gesäß nicht aus den Augen zu verlieren. Er wollte abwarten, bis die Araberstute Zeichen von Ermüdung zeigte, bevor er seinem Grauen erlaubte zu zeigen, was in ihm steckte.
Das Donnern von Hufen in ihrem Rücken verriet Kit dass ihr Beobachter aufs freie Feld gelangt war. Sie blickte hinter sich und sah ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Zum Teufel mit dem Mann! Er musste doch wissen, dass er sie nicht fassen konnte!
Als schließlich die Grenze des Weidelands in Sicht kam, musste Kit ihre Meinung über Captain Jacks Reitkünste revidieren. Sein Grauer schien über unerschöpfliche Kräfte zu verfügen, und Delia, die, in dieser Nacht schon eine enorme Wegstrecke zurückgelegt hatte, ließ nach. Verzweifelt riss Kit Delias Kopf in Richtung Küste herum. Der Ritt durch den Sand würde hoffentlich das Tempo des schweren Grauen stärker beeinträchtigen als Delias.
Sie hatte nicht an den Abstieg gedacht. Delia zögerte am Rand er Klippen und nahm den steilen Pfad nervös tänzelnd. Der Graue, der aggressiv geritten wurde, nahm den Absatz im Sprung und schlitterte über den weichen Boden, bis er, Sekunden hinter ihr, auf dem Strand anlangte.
Kit grub die Fersen in Delias Flanken. Die Stute, voller Panik ob des Hengstes, der ihr so dicht folgte, schoss nach vom.
Unglücklicherweise war die Flutjetzt zur Gänze hereingekommen und ließ nur einen schmalen Streifen trockenen Sands zwischen Wasser und Klippen frei. Sie durfte es nicht riskieren, den Steinen und Felsbrocken am Fuße der Klippen zu nahe zu kommen. So musste sie notgedrungen über den von den zurückweichenden Wellen
Weitere Kostenlose Bücher