Ungezaehmte Leidenschaft
genügt, Matt«, sagte sie ruhig. »Wir gehen jetzt.«
Matt folgte ihr trotz seiner sichtlichen Enttäuschung gehorsam den Gang entlang zur Treppe.
Als Virginia nach unten blickte, sah sie Adriana Walters die Treppe heraufkommen.
»Wenn Sie das Institut verlassen, können Sie sich von Ihrem Beruf verabschieden, Virginia Dean«, brüllte Gilmore aus der Tür ihres Büros. »Ich werde Ihren Ruf in ganz London ruinieren. Und wenn ich Sie erledigt habe, werden Sie sich glücklich schätzen, Kunden aus der Gosse zu bekommen.«
Sie warf ihm einen Blick über die Schulter zu. »Mr. Gilmore, warum machen Sie sich nicht auf die Suche nach der blauen Tür? Oder warum horchen Sie nicht um Mitternacht auf das Geheul des Hundes? Oder noch besser, versuchen Sie doch die Inschrift des Steins auf dem Grund des Weihers zu entziffern.«
Gilmore lief vor Wut rot an, als Virginia seelenruhig weiterging.
»Gilmore könnte sich auf diesen Stufen ganz leicht den Hals brechen«, äußerte Matt hoffnungsvoll. »Solche Unfälle passieren immer wieder.«
»Danke, das wird nicht nötig sein«, sagte Virginia.
»Nur ein Beinbruch, ja?«, bettelte Matt.
»Nein, Matt. Das ist nicht nötig.«
Adriana fegte finsteren Blickes an ihr vorüber.
»Er gehört ganz Ihnen«, sagte Virginia.
»Biest«, zischte Adriana.
Am Fuß der Treppe stürzte der Portier aus seinem Büro, um die Tür zu öffnen. Er reichte Virginia den noch immer tropfenden Regenschirm und ihren Mantel und warf einen grimmigen Blick die Treppe hoch.
»Gibt es ein Problem, Miss Dean?«, fragte er.
»Nein, Mr. Fulton, es gibt kein Problem. Nicht mehr.«
»Es regnet noch immer, Ma’am«, sagte er besorgt. »Ich rufe lieber eine Droschke.«
»Danke«, sagte Virginia.
Draußen auf den Eingangsstufen hielt Matt für sie den großen Schirm, während er eine Pfeife herauszog. Bald schon kam eine Droschke auf sie zu.
»Garnet Lane, Nummer 7«, sagte Matt zum Kutscher. Er half Virginia ins Wageninnere und stieg hinter ihr ein. Das Fahrzeug fuhr los.
Virginia sah in den Regen hinaus und sann über die katastrophale Wendung, die dieser Tag genommen hatte, nach. Ihr Beruf und die sichere, erfolgreiche Zukunft, die sie für sich zu schaffen versucht hatte, lagen nun in Schutt und Asche. Erstaunt stellte sie fest, dass sie merkwürdig gelassen war. Zweifellos würde es eine Weile dauern, bis der Schock einsetzte.
Matt beobachtete sie vom Sitz gegenüber. »Onkel Owen wird es nicht gefallen, wenn er herausbekommt, dass Leybrook Ihre berufliche Existenz bedroht, Miss Dean.«
Virginia runzelte die Stirn. »Eines möchte ich ganz klarmachen. Ich weiß Ihre Besorgnis zu schätzen, aber was sich eben zwischen Mr. Leybrook und mir abspielte, ist allein mein Problem. Ich komme damit klar. Verstanden?«
»Ja, Ma’am, verstanden. Ich bin aber nicht sicher, dass Onkel Owen es ebenso sieht.«
»Falls mit zu Ohren kommen sollte, dass Gilmore Leybrook in naher Zukunft einen unglücklichen oder gar tödlichen Unfall erleidet, werde ich sehr ungehalten reagieren.«
»Ja, Ma’am. Ich wollte ja nur sagen, dass Onkel Owen nicht erbaut sein wird.«
»Ich bin selbst nicht begeistert. Aber ich werde keinesfalls zulassen, dass Ihr Onkel mich als Vorwand benutzt, Gilmore Leybrook etwas Schlimmeres anzutun. Ich dachte, Sweetwaters würden nur Monster jagen.«
»Das stimmt.«
»Gilmore hat weiß Gott seine Fehler, aber er ist keines der Monster.«
Matt sah sie nachdenklich an. »Sind Sie dessen sicher, Miss Dean? Die Monster sind meist gut getarnt. Deswegen lassen sie sich so schwer jagen. Und deshalb bat J&J uns im Fall der Spiegelglas-Deuter-Morde um Beistand.«
Darauf wusste Virginia keine Antwort. Er hatte recht. Die Monster aus alter Zeit waren leicht zu erkennen. Sie hatten drei Häupter oder Schlangenschwänze und wirkten insgesamt höchst Furcht einflößend, ja dämonisch. Aber menschliche Monster waren allzu oft wie Chamäleons – sie fügten sich unauffällig in die Gesellschaft ein.
Eine Viertelstunde später hielt die Droschke in der Garnet Lane an. Matt griff nach dem Regenschirm und begleitete Virginia die Eingangsstufen hinauf. Die Sweetwater-Männer mögen gedungene Mörder sein, dachte sie, aber sie haben Manieren. Sie sind Gentlemen bis zu den todbringenden Fingerspitzen.
»Ist etwas amüsant, Miss Dean?«, fragte Matt.
Virginia wurde erst jetzt bewusst, dass sie lächelte. »Nein, nicht wirklich.«
Sie holte ihren Schlüssel hervor und reichte ihn Matt. Er öffnete und
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