Ungezaehmte Nacht
Isabella ruhig, aber unter dem Tisch faltete sie die Hände auf dem Schoß, damit er nicht die nervösen Bewegungen ihrer Finger sah. Denn sollten sie Streit bekommen, würde sie nicht einfach davonlaufen, nur weil er der unwiderstehlichste, faszinierendste, Furcht erregendste Mann war, dem sie je begegnet war. »Ihr wollt mich doch bestimmt nicht glauben machen, Ihr wärt so unvorsichtig, gefährliche Raubtiere frei in Eurem Haus herumlaufen zu lassen. Ihr seid ein intelligenter Mann und wisst, dass das aus verschiedenen Gründen eine Katastrophe wäre. Ich vermute, dass das Einschließen mehr eine Maßnahme ist, um mich von Unfug abzuhalten, als mich vor herumstrolchenden Löwen zu beschützen.«
»Und Ihr habt heute Nacht keine Löwen gesehen?«, fragte er mit weicher Stimme, die wie eine Liebkosung war.
Isabella errötete und senkte den Blick, um sich nicht zu verraten. Ja, sie hatte einen Löwen gesehen, und sie hatte das Gefühl, dass der Don es wusste. »Keinen, vor dem ich Schutz benötigte, Signore .«
Sein Blick veränderte sich nicht einmal um eine Nuance, er wurde höchstens noch eindringlicher und konzentrierter. Die Farbe seiner Augen vertiefte sich, bis sie buchstäblich in Flammen aufzugehen schienen. »Vielleicht braucht Ihr ja Schutz vor mir.« Seine Stimme war weich wie Samt, doch diesmal schwang auch eine fast unmerkliche Drohung darin mit.
Stille legte sich über die Bibliothek. Isabella konnte den Wind an den Fenstern zerren hören, als versuchte er hineinzugelangen. Sie zwang sich, DeMarcos festem Blick gelassen standzuhalten. Dass sie Schutz vor ihm benötigen könnte, war schockierend und seltsam aufregend zugleich.
»Wie ist es Euch gelungen, aus Eurem Zimmer zu entkommen, Isabella?«
Die Art, wie er ihren Namen aussprach, war wieder wie eine Liebkosung, die tausend kleine Feuer in Isabella entfachte. Er war gefährlich, unerhört gefährlich. Sein Tonfall legte nahe, dass er viele Dinge wusste, von denen sie nur gehört hatte. Intime Dinge, die er, nach seinem heißen Blick zu urteilen, mit ihr teilen wollte. Sie konnte kaum noch atmen, wenn sie in diese Augen schaute, seine gequälte Miene und die Heftigkeit seines sinnlichen Begehrens sah.
Isabella befeuchtete mit der Zungenspitze ihre Lippen; die einzige Geste, die ihre Nervosität verriet. »Das werde ich Euch ganz sicher nicht verraten. Sagen wir einfach nur, dass ich lernte, mich zu befreien, als mein Vater mich in meinen Zimmern einzuschließen pflegte. Oder mir sogar das Ausreiten verbot.«
DeMarco ließ ein Lächeln aufblitzen, das strahlend weiße Zähne und feine Lachfältchen um seine Augenwinkel offenbarte. »Ich könnte mir vorstellen, dass er Euch oft viele Dinge verbat.«
»Ja, das tat er«, räumte Isabella ein, die mit sich kämpfte, um nicht unter seinem bloßen Lächeln schon schier zu zerfließen. Er hatte etwas an sich, das sie zutiefst berührte. Wenn sie nicht auf der Hut war, könnte er ihr das Herz und die Seele stehlen und sie buchstäblich als leere Hülle zurücklassen. In einer herausfordernden Geste beugte sie sich zu ihm vor und sah ihm trotzig in die Augen. »Er hat mir alles Mögliche verboten und mich ständig eingesperrt, doch es hat ihm nie etwas genützt. Ich ging, wohin ich gehen wollte, und tat, was mir gefiel. Ich bin nie ein braves oder pflichtbewusstes Mädchen gewesen.«
Der Tisch zwischen ihnen war aus poliertem Marmor, der im flackernden Schein der Kerzen in einem wundervollen Rosa schimmerte. Nicolai trat näher, bis seine kraftvolle, hochgewachsene Gestalt so dicht vor Isabella war, dass der massive Tisch plötzlich vollkommen bedeutungslos erschien. Und dann legte er auch noch beide Hände auf die Tischplatte und beugte seinen muskulösen Oberkörper so weit vor, dass ihre Gesichter sich beinahe berührten.
»Ist das eine Drohung, Signorina Vernaducci?« Seine tiefe, samtene Stimme war eine Mischung aus sanfter Drohung und unverhohlenem Begehren.
Isabella dachte nicht daran, klein beizugeben, obwohl ihr Puls raste und ihr Herz zum Zerspringen klopfte. Er war der bestaussehende und eindrucksvollste Mann, dem sie je begegnet war. Aus der Nähe war er noch faszinierender, und allein ihn anzusehen raubte ihr den Atem. Sie konnte die schlimmen Narben sehen, die seine linke Wange entstellten, aber sie sah auch die absolute Vollkommenheit seines maskulinen Körpers und seines ansonsten gut aussehenden Gesichts. Sie rang um Atem und kämpfte mit sich, um nicht die Hand zu heben und
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