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Ungezaehmte Nacht

Ungezaehmte Nacht

Titel: Ungezaehmte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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ihn gefahren? Das passt gar nicht zu ihm.«
    Die Worte hallten Isabella in den Ohren wider. Sie hatte den immer freundlichen Betto im Palazzo herumeilen und stets würdevoll und tüchtig seinen Aufgaben nachgehen sehen. Er war der Inbegriff des diskreten Dieners. Aber der zornige Mann, den sie jetzt vor sich hatte, war nicht Betto. Sarina war schon fast ihr ganzes Leben mit ihm verheiratet und kannte ihn besser als jeder andere. Sein Verhalten war so bizarr und völlig untypisch, dass seine eigene Frau ihn nicht wiedererkannte.
    Isabella verhielt sich ganz still und beobachtete Bettos steife, abgehackte Bewegungen. Die Gesichtszüge des älteren Mannes waren noch immer verzerrt vor Wut und Hass. Er schüttelte die knochige Faust und gab dem Jungen eins hinter die Ohren. Ein Schwall von Flüchen sprudelte aus ihm hervor, hässliche, böse und verletzende Worte, die er dem Kind ins Gesicht schrie. Nein, das war nicht Betto.
    Tränen liefen dem Jungen über die Wangen, und er wehrte sich und versuchte mit aller Kraft, sich von dem älteren Mann loszureißen. Seine Mutter, eine hübsche junge Frau namens Brigita, stand händeringend und weinend dabei. »Lass Dantel los, Betto! Bitte, lass ihn los! Er hat nur gespielt. Er würde Don DeMarco niemals etwas stehlen.«
    »Wenn du auf ihn achtgegeben hättest, wie es deine Pflicht war, du Schlampe, hätte dein nichtsnutziger Balg nicht die Skulptur gestohlen.«
    Sarina schnappte nach Luft und schlug sich eine Hand vor den Mund, schwankte und wurde so blass, dass Isabella befürchtete, sie könnte in Ohnmacht fallen. Schnell legte sie der Wirtschafterin einen Arm um die Taille, um zu verhindern, dass sie zusammenbrach. »Betto«, flüsterte Sarina mit gebrochener Stimme, die den Zustand ihres Herzens widerspiegelte, und Tränen in den Augen.
    Isabella konnte die Feindseligkeit im Raum spüren. Die Aufregung und Wut der Mutter wuchsen im gleichen Ausmaß, wie Bettos bizarres Verhalten sich steigerte. Die laute Schreierei hatte andere Dienstboten herbeieilen lassen. Alle tuschelten untereinander, einige unterstützten die verstörte Mutter, andere Betto. Isabella verhielt sich still und suchte etwas, das über das hinausging, was mit dem bloßen Auge zu erkennen war. Sie blendete die zornigen Geräusche und lauten, aufgebrachten Worte aus, bis sie nur noch wie das Summen aufgebrachter Bienen waren.
    Und da fand sie es. Etwas so Subtiles, Heimtückisches, dessen Berührung so geschickt und sachte war, dass es fast unmöglich auszumachen war. Es war nicht so stark wie vorher, als hätte es die Strategie geändert, aber der Schatten des Bösen war trotzdem noch da. Es durchzog den Raum und berührte alles, was ihm in den Weg kam, schürte die Emotionen und lebte von der Wut und Feindseligkeit. Es trug Hass in den Palazzo und brachte Freunde gegen Freunde auf. Isabella spürte die wachsende Macht und Häme des Bösen, als es sein Gift im Raum verbreitete.
    Sie hob eine Hand, um Schweigen zu gebieten. Einer nach dem anderen wandten sich die Dienstboten ihr zu. Sie war eine Aristokratin, und zudem war sie mit ihrem Don verlobt. Niemand wagte, ihr den Gehorsam zu verweigern. Als die Gesichter sich Isabella zuwandten, verdichtete sich der Zorn im Raum zu einer scheußlichen schwarzen Diabolik, die stärker war als alles, womit Isabella es je zu tun gehabt hatte. Sie war greifbar und erfüllte die Luft bis zu den gewölbten Decken. Isabella konnte die Feindseligkeit in den Mienen der Dienstboten sehen, und ihr Herz begann, wild zu pochen, als der Zorn der Leute umschlug und sich plötzlich gegen sie richtete.
    »Sarina, du siehst Betto, wie er wirklich ist, durch die Augen deiner Liebe.« Isabella richtete ihre Worte an ihre einzige Verbündete, sprach aber laut genug, dass alle sie hören konnten. »Irgendetwas stimmt mit ihm nicht. Vielleicht ist er krank und braucht unsere Hilfe. Geh zu ihm, und benutze deine Liebe, um ihn zurückzuführen! Wir werden dir alle helfen.« Sie lächelte die Bediensteten an und entfernte sich von Sarina, um zu der jungen Mutter zu treten. Um eine Verbindung zwischen ihnen herzustellen, nahm sie Brigitas kalte, nervöse Hände in die ihren. »Denk nach, Brigita! Betto würde normalerweise niemals so etwas Abscheuliches zu dir sagen. Hat er dich oder deinen Sohn jemals schlecht behandelt? War er schon einmal so grausam?« Um die Aufmerksamkeit der Frau auf sich statt auf das weinende Kind zu konzentrieren, sprach Isabella in einem leisen, überzeugenden Ton

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