Ungezaehmte Nacht
und sah Brigita dabei unablässig in die Augen.
Die junge Mutter schüttelte den Kopf. »Er war immer nett zu Dantel und mir. Dieses Verhalten passt gar nicht zu ihm. Als mein Mann starb, hat er dafür gesorgt, dass wir zu essen hatten, und mir hier Arbeit gegeben.« Ihre Stimme schwankte, und sie brach erneut in Tränen aus.
»Dieses Herumwüten sieht Betto also überhaupt nicht ähnlich, nicht?«, bekräftigte Isabella. »Das dachte ich mir schon.« Sie tätschelte Brigita ermutigend den Rücken. »Betto ist so ein braver Mann! Sarina hat große Angst, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Vielleicht ist er ja krank. Wir müssen ihm alle helfen, jetzt, da er uns am meisten braucht.«
Die junge Frau nickte furchtsam und nicht ganz überzeugt, als sie den alten Mann ansah, den eine unnatürliche Wut noch immer heftig zittern ließ.
Nach außen hin mit viel mehr Selbstvertrauen, als sie empfand, ging Isabella durch den Raum zu Betto hinüber, löste lächelnd die Hand des Mannes von dem Arm des Jungen und zog das Kind an sich. Ohne Betto anzuschauen, hockte sie sich vor den Jungen, um auf Augenhöhe mit ihm zu sein. »Dantel, deine Mutter hat mir erzählt, wie gut Betto immer zu dir gewesen ist. Ist das wahr? Wir alle wissen, dass du nichts gestohlen hast. Betto weiß es auch; er hat sein Vertrauen in dich nicht verloren. Es war alles nur ein Missverständnis, und was er sagte, sagte er im Zorn.« Sie wischte dem Kleinen sanft die Tränen ab. »Wir brauchen jetzt jedoch deine Hilfe, Dantel. Ich weiß, dass du sehr mutig bist, genau wie die Löwen hier im Tal, und so tapfer wie dein Don. Deine Mutter hält dich auch für mutig und Sarina ebenfalls. Du musst mir von Bettos Freundlichkeit dir gegenüber erzählen. Erzähle es uns allen, Dantel!«
Der Junge schniefte ein paar Mal, und seine großen dunklen Augen starrten in Isabellas, als wagte er nicht, Betto anzusehen, um nicht wieder in Tränen auszubrechen. Sein kleiner Körper straffte sich, und er drückte die Brust heraus. »Ich bin sehr tapfer«, bestätigte er. »Und wenn Ihr meine Hilfe braucht, Signorina , werde ich tun, was Ihr verlangt.« Sein Blick glitt kurz zu seiner Mutter, die noch immer unschlüssig die Hände rang.
»Wir alle brauchen deine Hilfe. Erzähl uns, wie nett Betto immer zu dir war!«
Der kleine Junge warf einen nervösen Blick in Bettos Richtung. »Er hat mir einen Löwen geschnitzt und ihn an meinem Geburtstag an mein Bett gestellt. Er wusste nicht, dass ich ihn schon gesehen hatte, doch ich bin ihm ja immer hinterhergelaufen.«
»Warum bist du ihm hinterhergelaufen?«, fragte Isabella.
»Weil ich gern mit ihm zusammen bin«, gab der Junge zu. »Als ich ihn den Löwen schnitzen sah, wusste ich, dass er ihn mir schenken würde.« Er lächelte bei der Erinnerung daran und blickte wieder unsicher zu seiner Mutter hinüber. »Und einmal, als wir nicht genug zu essen hatten und mamma weinte, weil sie so hungrig war und mir das letzte Brot gegeben hatte, brachte er uns alle möglichen Speisen.« Seine Stimme wurde fester. »Er hat mir auch das Reiten beigebracht.«
»Meinen Sohn hat er ebenfalls unterrichtet«, warf einer der anderen Diener ein.
»Und er hat den alten Chanianto gepflegt, bis er verstarb«, meldete sich ein weiterer Mann. »Wisst ihr noch, wie er ihn gewaschen und sauber gehalten hat? Er hat ihn sogar gefüttert, als der alte Mann zu schwach war, um allein zu essen.«
Die Atmosphäre im Raum hatte sich nach und nach verändert. Die Dienstboten lächelten Betto an, und Sarina ging zu ihrem Mann, schloss ihn in die Arme und drückte ihn beschützend an sich. Und dann war es Betto, der zu weinen begann. Auch er presste seine Frau an sich und schluchzte, als bräche ihm das Herz. Selbst Dantels Mutter gab einen mitfühlenden kleinen Laut von sich, und mehrere andere Bedienstete hatten Tränen in den Augen.
Dantel lief zu dem alten Diener und schlang die Arme um seine Beine. »Es ist schon gut, Betto!«, rief der Junge. »Ich hab dich lieb!«
»Verzeih mir!«, bat Betto mit rauer, tränenerstickter Stimme. »Ich wollte nicht so gemein zu dir sein, Dantel, und nichts von dem, was ich gesagt habe, war mir ernst gemeint. Du bist ein guter Junge, den ich und alle im Palazzo lieb haben. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, was in mich gefahren ist und warum ich solch hässliche Dinge gesagt habe. Aber ich bin sehr beschämt darüber.« Er ließ sich plötzlich auf den Marmorboden fallen, weil seine Knie unter ihm nachgaben, und
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