Ungezaehmtes Verlangen
dass sich das alles für dich merkwürdig anhören muss, aber das ist es nicht. Du wirst so von der Kraft überwältigt sein, dass du überhaupt nicht daran denken kannst, dich zu schämen. Das verspreche ich dir.«
Ihr Blick war trostlos. »Ich will … Vhyper nicht.«
Lyons Hände verkrampften sich. Sein Tier heulte und war ebenso unglücklich wie sie. Was hatte er getan? Er hatte alle unglücklich gemacht, nur weil er sich nicht hatte beherrschen können, als er sie auf die Paarungszeremonie vorbereitet hatte. Wäre sie seine Partnerin und nicht diejenige Vhypers, er würde sie mit Sicherheit eher entspannt durch das Ritual führen können. Denn sie vertraute ihm. Wenn er sie ein wenig ermutigte, könnte er sie sogar dazu bringen, sich mit ihm unter Umständen zu paaren, die sie eigentlich als peinlich empfand.
Aber Vhyper war ihr fremd. Es war auch fraglich, ob sie ihn angesichts dieser etwas schwierigen Bedingungen überhaupt akzeptieren würde. Und sie musste ihn ja akzeptieren.
*
Mit zusammengebissenen Zähnen und halb geschlossenen Lidern drückte Lyon ihre Schultern und ließ sie dann wieder los. »Fangen wir noch einmal von vorne an. Setz dich, Kara. Wir versuchen jetzt etwas anderes.«
Kara wollte schon widersprechen. Das war zu viel verlangt. Ständig erwartete er, dass sie die seltsamen Gepflogenheiten dieser Welt erduldete und alles aufgab, was sie jemals gekannt hatte. Und das alles für eine Rolle, die ihr so gut wie nichts bedeutete. Eine Rolle, die sie für alles in der Welt nicht spielen wollte.
Beim Mittagessen hatte sie immerhin begriffen, dass ihr diese Rolle zwar nichts bedeuten mochte, den anderen dafür aber alles. Und sie konnte ihrer Bestimmung nicht entrinnen, gleichgültig, was sie darüber dachte.
Als ihr auf einmal bewusst wurde, dass sie das Schicksal verdammte, weil es ihr keine Wahl ließ, fing sie an, ihre Unterlippe mit den Zähnen zu malträtieren. Schließlich hatte sie dieses Schicksal in ein Landhaus verschlagen, in dem sie ein luxuriöses Leben führen konnte, ihres Wissens nach sonst keiner Arbeit nachgehen musste und mit einem Mann vereinigt wurde, der vermutlich die Liebe ihres Lebens war. Oh, und im Übrigen hatte das Schicksal sie mit einem Körper gesegnet, der nicht einmal älter wurde und dann auch noch erstaunlich schnell heilte.
Auf der ganzen Welt waren Männer und Frauen von ihrer Geburt oder ihren Lebensumständen her doch zu einem bestimmten Dasein verdammt. Viele führten ein unglückliches Leben voller Elend, Ausbeutung und Krankheit.
Sie aber wollte selbst über ihr Leben bestimmen. Doch das war ungehörig, wenn so viele von ihrer Kraft abhingen. Wenn vielleicht sogar deren Leben von ihr abhing. Es war Zeit, dass sie sich zusammenriss und sich darauf konzentrierte, den Thron zu besteigen. Vielleicht wäre es dann leichter für sie zu überschauen, inwieweit sie über ihr Leben bestimmten konnte.
»Okay, ich bin mit Schmollen fertig.« Kara folgte Lyon zurück in die Mitte des Felsens. »Was kommt denn jetzt?«
In seinem Blick lag so etwas wie Erleichterung. Vielleicht war es auch Anerkennung. »Ich möchte, dass du wie zuvor die Energie herausziehst, aber stell dir dieses Mal vor, dass sie sich in deinen Händen in Flammen verwandelt.«
»Warum in Flammen?«
»Weil du jetzt versuchst, das Feuer herbeizurufen. Deine Energie zeigt sich in der Gestalt von Feuer.«
Jedes Mal, wenn sie dachte, sie würde diesen ganzen Kram akzeptieren, kam er ihr plötzlich noch verrückter vor.
»Du sprichst aber doch nicht etwa von echtem Feuer, oder?«
Lyon bedeutete ihr, sich zu setzen, dann nahm er selbst im Schneidersitz ihr gegenüber Platz.
»Ich möchte, dass du das mystische Feuer hervorrufst. Das sieht zwar echt aus, ist aber nicht heiß. Du wirst dich nicht daran verbrennen.«
Da fiel ihr etwas ein. »Wird es anderen Leuten schaden? Kann ich mich damit irgendwie verteidigen?« Vielleicht hatte sie ja nicht mehr solche Angst, wenn sie einen Weg fand, sich zu schützen.
Lyon hob eine Braue und verzog den Mund zu einem vagen Lächeln. »Suchst du einen Weg, wie du dich gegen mich zur Wehr setzen kannst, kleine Strahlende?«
»Ich suche nach einem Weg, wie ich mich selbst beschützen kann.«
»Ich würde niemals zulassen, dass dir etwas Schlimmes zustößt, Kara.«
Sie runzelte die Stirn. »Du bist aber nicht immer bei mir. Das kannst du nicht versprechen.« Sie umklammerte ihre Knie. »Tu mir den Gefallen, Lyon. Ich würde mich besser fühlen, wenn
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