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Ungezaehmtes Verlangen

Ungezaehmtes Verlangen

Titel: Ungezaehmtes Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Palmer
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Diese seidigen Wangen.
    »So um 1314 herum. Vielleicht auch 1315. Daten waren damals nicht so wichtig, und niemand hat mein Geburtsdatum irgendwo aufgeschrieben.«
    Sie drehte sich zu ihm um, sah ihm in die Augen und zog die Brauen zusammen. »Noch nicht einmal deine Mutter?«
    Lyon wandte sich wieder dem Fluss zu. »Meine Mutter war ein Mensch. Sie ist bei meiner Geburt gestorben.«
    »Das tut mir leid. Wer hat dich großgezogen?«
    »Ich selbst bin das gewesen.«
    »Du hattest niemanden?«
    »Ich hatte einen Vater. Einen Therianer. Aber ich würde nicht behaupten, dass er mich aufgezogen hat. Man hatte ihn Jahre zuvor wegen seiner Trinkerei aus den Enklaven geworfen. Er war ein unglaublicher Säufer. Wäre er nicht so feige gewesen und wär es ihm nicht so verdammt schwergefallen, er hätte ein Dutzend Mal Selbstmord begangen. Er hasste sein Leben. Und er hasste seine Frau, nämlich … weil sie gestorben war.«
    »Und ihren Sohn, weil er sie getötet hatte?«
    Er begegnete ihrem forschenden Blick, und sein Magen verkrampfte sich, als aus den Abgründen seines Gedächtnisses eine noch ziemlich lebendige Erinnerung hochgespült wurde.
    Sein Vater hatte ihn kopfüber in ein Regenfass getaucht und so lange festgehalten, bis seine Lungen voll Wasser waren und er vor Schmerz explodierte. Es war der Tag der Sommersonnenwende gewesen. Der Tag, an dem seine Mutter gestorben war. Dieser Vorgang hatte sich jedes Jahr am selben Tag wiederholt, bis Lyon einfach nicht mehr zurückgekommen war.
    Er hatte noch nie zuvor jemandem davon erzählt. »Warum fragst du das?«, gab er scharf zurück.
    Kara zuckte mit den Schultern und wandte sich dem Wasser zu. »Letztes Jahr, als einer meiner Schüler … Geburtstag hatte … wir haben Happy Birthday gesungen, da ist er in Tränen ausgebrochen. Ich habe ihn zur Seite genommen, und er hat mir erklärt, dass er seinen Geburtstag nicht feiern dürfe, weil er an diesem Tag seine Mutter umgebracht habe. Das hatte ihm sein Vater erklärt. Am nächsten Morgen kam er mit einem blauen Auge und Prellungen auf dem Rücken und dem Bauch zur Schule. Ich habe es gemeldet, und sein Vater kam wegen Kindesmisshandlung hinter Gitter.«
    Sie suchte wieder seinen Blick und sah ihn voller Mitgefühl an. »Es tut mir leid für dich, Lyon. Selbst wenn er dich nicht wirklich geschlagen hat, so ist es doch schrecklich, einem Kind die Schuld an etwas zu geben, für das es ohne jeden Zweifel nichts kann.«
    »Ja. Es ist allerdings … auch recht lange her.« Und er wurde nicht gern daran erinnert.
    »Wenn du sagst, dass es lange her ist, ist das kein Spaß«, sagte Kara leise. »Hawke hat mir erzählt, niemand wüsste, wer dein Vater ist. Hast du ihn denn jemals wiedergesehen, seitdem du ein Krieger bist?«
    »Nein. Ich habe ihn verlassen, als ich zehn oder elf Jahre alt war. Ich war ziemlich geschickt darin geworden, den Fäusten und Tritten der anderen Säufer auf der Straße auszuweichen, und hatte mich seit Jahren selbst versorgt und durchgeschlagen. Mein Vater hat mich einmal zu viel geschlagen. Also bin ich weggegangen und nie mehr zurückgekehrt.«
    Sanft berührte Kara seine Schulter. »Das tut mir leid.«
    Lyon zuckte die Achseln. Es stimmte schon; es war sehr lange her. Die Erinnerung daran schmerzte längst nicht mehr so, wie er es von früher her gewohnt war.
    »Wo war das?«, fragte sie.
    »Im Armenviertel von London.«
    »War dein Name schon immer Lyon?«
    Er schnaubte kurz. »Ich bin als ein dürres Kind mit dem Namen Arthur Bannister aufgewachsen. Ein Krieger erhält seinen Namen erst nach der ersten Verwandlung, wenn er weiß, welches Tier ihn ausgewählt hat.«
    Sie wandte ihm ihr reizendes Gesicht zu, und ihre Augen blitzten neugierig. »Das muss fantastisch gewesen sein. Auf einmal zu merken, dass man sich in einen Löwen verwandeln kann.«
    »Es war … jedenfalls seltsam. Und, ja, fantastisch auch. Und außerdem eine große Erleichterung.«
    Sie lächelte. »Warum denn eine Erleichterung?«
    »Wenn damals ein neuer Krieger im Haus ankam, nannten ihn die anderen Maus. Es war ein alter Witz, aber das wusste ich natürlich nicht. Sie schworen, dass der Krieger, der kürzlich verstorben war und dessen Platz ich nun einnehmen sollte, eine Maus gewesen sei.« Schulterzuckend fügte er hinzu: »Ich war sechzehn. Alles habe ich ihnen geglaubt.«
    »Aber du hast dich in einen Löwen verwandelt.«
    »Ja. Ich bin noch nie so stolz gewesen.« Ihre Augen strahlten, als sie ihn ansah, und etwas in seiner

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