Ungezaehmtes Verlangen
einen bestimmten Gegenstand gebunden ist und mit ihm in unser Haus gelangt sein muss. Er bereitet uns einige Tage lang Schwierigkeiten, bis wir ihn finden und zerstören oder … bis der Zauber nachlässt. Es muss ein ziemlich starker Fluch sein, wenn er dir solche Angst bereiten kann, obwohl du den Gegenstand nicht an dir trägst. Aber das erklärt, weshalb die Angst verschwindet, sobald du das Haus verlässt.«
»Könnte der Fluch auch Wulfes Anfall ausgelöst haben?«
»Eine gute Frage. Aber nein. Du verfügst erst dann über eine Abwehr gegen Zauberei, wenn du den Thron bestiegen hast. Wir jedoch besitzen ihn jetzt schon. Kein Fluch ist so stark, dass ein Krieger seine Menschlichkeit verliert. So einflussreich sind die Hexer heute nicht mehr.«
Lyon parkte den Wagen und stellte den Motor aus, dann ergriff er Karas Hand und beruhigte die Woge der Angst, die ihren Körper überflutete. »Sobald wir den Fluch gefunden haben, wird es dir wieder besser gehen.«
Er war selbst äußerst erleichtert. Sie war also nicht verrückt, sondern nur das Opfer eines kleinen Hexerangriffs. Eines Angriffs zumal, dem er leicht entgegenwirken konnte.
Lyon ließ sie los und ging um den Wagen herum zu Karas Seite. Als er die Tür öffnete, wurde sie von einer neuen Panikattacke überrollt, die geradezu wie eine Schallwelle gegen ihn prallte. Sie wich in den Sitz zurück und klammerte sich an seine Hand wie an eine Rettungsleine.
»Bitte, sag mir, dass du das auch gespürt hast.«
Er nickte. »Das habe ich. Es war eindeutig magischen Ursprungs.« Er umfasste fester ihre Hand und half ihr, das böse Gefühl zu bekämpfen.
Lyon führte sie den Weg zum Eingang hinauf und durch die Halle zu seinem Büro, wobei er die ganze Zeit mit der Hand ihren Nacken berührte, um die Angst zu beruhigen. Während er die Emotionen aus ihr hinausleitete, wurde sie ruhiger, und ihr Körper entspannte sich schließlich.
Als er sie in sein Allerheiligstes schob, blickte sich Kara um. »Hübsch. Das gefällt mir schon besser.«
»Inwiefern?«
»Es sieht wie das Zimmer eines Mannes aus.«
»Das ist es auch. Hier hat sich Beatrice herausgehalten.« Das erste Mal seit langer Zeit sah er sich bewusst in diesem Raum um. Mit den deckenhohen Bücherregalen, dem großen Kamin, dem Mahagonischreibtisch und den dunkel gestrichenen Wänden war es schon immer sein Lieblingszimmer gewesen.
»Es passt zu dir.«
»Es ist mein Heiligtum.« Ein Heiligtum, das nie mehr dasselbe sein würde, wie er feststellte, als er ihren Nacken losließ, um seine Büchersammlung durchzusehen. Er betrachtete ihre Schönheit und war von ein paar losen Haarsträhnen fasziniert, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatten und sich nun um ihr Gesicht kringelten. Ihr Geruch würde in diesem Zimmer zurückbleiben, und wenn auch nicht tatsächlich, dann zumindest in seiner Erinnerung. Wenn sie sich erst Vhyper zugewandt hatte, würde ihn alles an sie erinnern.
Wieder verstärkte sich ihre Angst. Als er es bemerkte, trat sie schon zu ihm. Er schob seine Hand unter ihren Pferdeschwanz und legte sie auf die zarte Haut ihres Nackens.
Sie hob das Gesicht und blickte ihn aus ihren blauen Augen besorgt an. »Wie ist das für dich, wenn du mir auf diese Weise hilfst? Tut es weh, wenn du mir meine Gefühle abnimmst?«
Lyon ließ den Blick langsam über ihr Gesicht gleiten, über die dunkelgoldenen Wimpern, ihre geschwungenen Brauen und die hohen Wangenknochen.
»Es tut nicht weh.«
»Fühlst du sie, wenn du mich von ihnen erlöst?«
»Nein. Nicht so wie du. Gefühle haben eine bestimmte Energie, bei den negativen ist sie besonders stark. Für mich sind sie wie eine Art Schwachstrom. Es ist zwar nicht angenehm, aber auch nicht schmerzhaft.« Er strich mit dem Daumen an ihrem Kiefer entlang zu ihrem Ohr hin. »Es freut mich, dass es dir dadurch besser geht.«
Sie sah ihn mit zärtlichem Blick an und verzog die Lippen zu einem süßen Lächeln, das in seiner Brust ein Brennen auslöste. »Danke.«
Als er hinter sich ein Räuspern vernahm, wandte sich Lyon um und war erschrocken, dass er Paenther nicht hatte kommen hören. Der schwarzhaarige Krieger stand im Türrahmen, ließ den Blick zwischen ihm und Kara hin- und herwechseln und kniff missbilligend die Lippen zusammen.
»Im Haus muss es einen bösen Fluch geben, der Kara zu schaffen macht, Paenther. Organisier eine umfassende Durchsuchung.«
Wenn Paenther überrascht war, so zeigte er es jedenfalls nicht. Er nickte nur und drehte
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