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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare
Autoren: Dietmar Bittrich
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verbarg meinen Kopf an ihrer Schulter, zwischen Bluse und T-Shirt, weil es so peinlich war. Ich wollte nicht küssen. Zu blamabel war das, zu erniedrigend und lächerlich.
    Sie strich mir sanft über den Rücken: »Alles okay«, während in mir brannte, dass nichts okay war. Es war ein Beruhigen, wie wenn eine Mutter ihr Kind beruhigt, damit es allmählich begreift, dass dieses Hinfallen und Aufschürfen gar nicht so schlimm war.
    »Das tut mir leid«, hauchte ich in den Stoff ihrer Bluse. »Aber das ist wunderbar«, flüsterte sie.
    Sie meinte es gut mit mir; das machte die Niederlage nur schlimmer. Aber zu tun gab es nichts mehr. Ich konnte aufgeben. Sie strich mir über den Rücken, gelangte tiefer, strich mir über die Shorts, den festen Hintern eines Läufers, und obwohl nichts mehr zu holen war und es nur demütigend sein konnte für mich, fuhr sie mit den Fingerspitzen unter den elastischen Bund der Shorts und über die glatte Haut meiner Pobacken und, sosehr ich michauch verhindernd an sie presste, hinunter in die warme Klebrigkeit. Sie seufzte, nicht resignierend, eher schwelgerisch, als sei dieser Rest eines abgesagten Festes noch ein Genuss.
    »Komm«, raunte sie, »wir gehen nach unten.«
    Sie erhob sich verblüffend geschmeidig und sah gleich, dass sie mir die Hände reichen musste, damit ich mich aufsetzen konnte, ein zittriges Unfallopfer, das unverletzt geblieben, aber vom Schock noch gelähmt war.
    »Willst du noch einmal duschen?«, fragte sie mit einem barmherzigen Lächeln, in dem auch ein Flämmchen Spott züngelte.
    »Ja«, murmelte ich erleichtert. »Ja. Nur ganz kurz.« Das versprach einen Zeitgewinn.
    Sie zog die Schiebetüren zu, als könnte jemand hereinklettern, und ging voraus, die kühlen polierten Steinstufen abwärts. Das Badezimmer lag neben dem Zimmer der Tochter. Die Tür dorthin stand offen. Vorher hatte ich das nicht bemerkt; jetzt fiel mein Blick auf die hellblaue Überdecke des Bettes, auf dem ich es mit ihr versucht hatte, auf den aus der Kindheit herübergeretteten Steiffbären und auf ein paar Briefe, die während ihrer Abwesenheit eingetroffen waren. Hannah zog die Tür zu.
    »Hier«, sie öffnete mir das Badezimmer.
    Die Spiegel waren immer noch ein wenig beschlagen. Ich hatte vergessen, das Fenster zu kippen. Nun drehte ich den Wasserhahn auf und wieder zu und lauschte. Sie war nebenan, im Schlafzimmer, im Elternschlafzimmer. Gut. Peinlicher konnte es nicht mehr werden. Noch einmal stieg ich in die Dusche und ließ die Wärme auf mich herabrieseln. Der Spiegel sah einen Besiegten.
    Zweimal hintereinander, hatte ich gelesen, sollte das Mindeste sein. Sooft ich mit mir allein gewesen war und eigenen Vorstellungen folgen konnte, im gemäßen Tempo, funktionierte das auch, nach einer Pause unberührbarer Empfindlichkeit. Diese Pause hatte sie mir eingeräumt.
    Ich reckte mich. Einen Waschbrettbauch konnte ich nicht bieten, aber eine muskulöse Sportlichkeit. Ich versuchte mich in den Posen männlicher Models. Doch, das konnte sich sehen lassen. Eine Frau von vierzig Jahren musste so einen zwanzigjährigen, einigermaßen trainierten Körper einfach anziehend finden! Ich fuhr mit den Handflächen, als wären es fremde, an den Innenseiten der Oberschenkel aufwärts, die empfindliche Hürde auslassend, höher und wieder abwärts.
    »Komm schon, mach was!«, forderte ich den Spiegel auf. Vorstellbar, dass sich dahinter eine Kamera verbarg, die geräuschlos einen Film aufnahm. Ob ich dafür genügend Talent mitbrachte? Eigene Messungen hatten nur Durchschnittswerte ergeben, selbst auf dem purpurnen Gipfel der Erregung. Allerdings kam es darauf an, wo man das Lineal anlegte, oberhalb oder unterhalb, und ob man das Ende des Lineals ein wenig in die Haut drückte; das brachte zwei oder drei Zentimeter mehr. Zu klein jedenfalls war er nicht. Und jetzt, allein zwischen hellgrauen Fliesen, dunkelblauen Handtüchern und gläserner Duschwand, in optimaler Positur vor dem Spiegel, jetzt wuchs die Gewissheit wieder. Ich konnte mich präsentieren. Zu keiner ihrer Freundinnen stieg derartig junges festes Fleisch ins Bett.
    Da war wieder die anstachelnde Vorstellung: Callboy zu sein, Gigolo, Eintänzer für alternde Diven, der sehenswertereTeil eines ungleichen Paares. Ich brauchte mich kaum zu berühren. Jetzt würde es gehen. Rasch, bevor sich andere Gedanken dazwischendrängten. Sollte ich mich abtrocknen? Nur flüchtig, nur oberflächlich. Wasser auf der Haut, möglichst in Perlen, war
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