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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare
Autoren: Dietmar Bittrich
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ist es also, dachte ich, und mehr ist es nicht, dieses schwitzende Eifern, so verzweifelt zielstrebig, drängend scheinbar nach eigenem Willen und doch nur ferngesteuertvon einem despotischen Befehl der Evolution. Wie ernüchternd durchschaubar. Und Cut – und Danke.
    »Das ist doch gut!« Nein, das war nicht gut. Nicht diese Performance. Da hatte ich anderes gelesen. Frauen kamen langsamer auf Touren, brauchten länger, wollten mehrmals; bis zu neun Mal, hatte ich in einem Buch über chinesische Liebeskunst gelernt, in dem sich ein mythischer Gelber Kaiser von einer Kurtisane unterweisen ließ.
    Es war nicht gut. Hannahs Trost änderte nichts an den Tatsachen. Und eine weitere Wiederholung war nicht mehr drin. Nicht an diesem Nachmittag.
    Hannah hörte nicht auf zu streicheln. »Das war schön«, sagte sie. Es klang artig, als bedanke sie sich für ein nutzloses Geburtstagsgeschenk. Verzeihend klang es auch. So als könne ich nichts falsch machen, weil ich noch jung und dumm war.
    »Ich mag dich«, fügte sie hinzu und wollte mich wieder küssen.
    »Ich mag dich auch«, fiel mir ein. Ich traute mich nicht, den Küssen auszuweichen.
    Das gehörte zum Pflichtbeitrag. Ein Mann durfte nicht aufstehen und weggehen, wenn ihm auch nichts dringlicher geboten schien. Ein Mann sollte auch nicht fragen: War ich gut?, selbst wenn er es unbedingt hören wollte. In diesem Fall verbot es sich von selbst. Ein Mann durfte auch nicht fragen: Wie findest du meinen Schwanz? Oder gar: Sind die anderen kleiner? Wenigstens einer, den du mal erlebt hast? All das war verkehrt. Ein Mann hatte, gerade wenn ihm nicht danach zumute war, zärtlich zu sein.
    So strengte ich mich zu Liebkosungen an, obgleich ich gern ausgerissen wäre, wenigstens unter die Dusche. DasLinkische in meinen Fingerspielen nahm sie hin, das Bemühte daran fiel ihr auf. Irgendwann streifte sie meine Hände ab und sagte: »Du brauchst nicht wiederzukommen, wenn du nicht willst.«
    »Doch, doch«, sagte ich, um nicht vollends schäbig zu erscheinen.

Der ausgehaltene Mann
    Tatsächlich kehrte ich zurück. Zwei Tage später wanderte ich wieder am Ufer entlang, diesmal am Morgen, als der Sand noch kühl war und Hunde ausgeführt wurden und Männer in orangefarbenen Jacken Bierdosen und Grillreste auflasen.
    Manchmal nahm ich das Rad. Meistens ging ich zu Fuß, um gründlicher aus meiner Welt zu entkommen. Während der drei Wochen, in denen die Tochter verreist blieb, an den Tagen, an denen Dirk unterwegs war, wurde mein Besuch zur festen Einrichtung. Nicht zur Gewohnheit, davor schützte das Unerlaubte unserer Treffen.
    Die Nachbarn an der Uferstraße wohnten auf ansehnlichen Gartengrundstücken, jedoch nicht weit genug entfernt, um Besucher in der Nachbarschaft zu übersehen. Ein Fremder war ich nicht, schließlich war ich der Freund der Tochter, doch auf der Hut sein mussten wir. Das hielt die Aufregung einstweilen aufrecht.
    Ihr Mann war im Hause anwesend in Form von Fotos, gestapelter Post, Weißweinflaschen im Kühlschrank, Fachzeitschriften, Jacken an der Garderobe, Schuhen im Regal. Doch obgleich nach den Wochenenden die gekühlten Flaschen ausgetauscht waren und Jacken und Schuhe kaum merklich den Platz gewechselt hatten, blieb seine Präsenz schattenhaft. Sie lenkte nicht ab.
    An dem nun stets geschlossenen Zimmer der Tochter vorbeizugehen war etwas anderes. Hannah fragte nie, ob ich an sie dächte. Ich vermied es, sie zu erwähnen. Ichdachte an sie, natürlich, aber in den entscheidenden Momenten brachte der Gedanke kein Glück. Anfangs hatte ich versucht, in Hannah die Tochter zu finden, die Tochter in ihr zu bezwingen, zu entjungfern und über die Verweigerung zu triumphieren. Das gelang nicht. Das kühle Bild löste sich auf und schmolz in Hannahs umfassender Wärme. Ich konnte nicht gleichzeitig anderswo sein.
    Drei Tage vor der Rückkehr der Tochter bot Hannah an: »Wir können jetzt Schluss machen.«
    Meine Erleichterung war so groß, dass ich Angst hatte, sie wäre mir anzusehen. Deshalb widersprach ich eilig.
    »Mach dir keine Gedanken«, sagte sie. »Ich komme damit klar.«
    Die Tochter ließ zwei Tage verstreichen, bevor sie anrief. Ihre Stimme klang belegt. Aus Spanien hatte sie sich ein einziges Mal gemeldet, in der ersten Woche aus Cartagena. In der zweiten hatte sie eine Ansichtskarte aus Alicante geschickt, mit flüchtigen Zeilen, die sie ebenso gut ihrer Großmutter oder ihrem Erbonkel hätte schreiben können und wahrscheinlich auch geschrieben
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