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Unglückskeks - Angermüllers achter Fall

Unglückskeks - Angermüllers achter Fall

Titel: Unglückskeks - Angermüllers achter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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ankam. Jetzt schreibe ich, was ich will, für wen ich will und wann ich will. Ich bin endlich frei!«
    Den letzten Satz rief er mit weit ausgebreiteten Armen so laut, dass es über den ganzen Marktplatz schallte. Dann bestellte er beim Kellner noch einmal dasselbe. Marlene begann zu begreifen, dass Mirkos Schilderungen wohl doch nicht so weit hergeholt waren.
    Â»Und triffst du denn noch welche von unseren Schulfreunden?«
    Â»Wozu? Damit wir um die Wette protzen? Mein Haus, mein Auto, mein Boot? Womöglich noch: meine Frau? Nee«, Wally schüttelte abfällig den Kopf. »Mit diesen üblen Materialisten muss ich mich nicht gemeinmachen.«
    Â»Na, na, übertreibst du nicht ein bisschen?«
    Â»Die Damen und Herren verkehren hier mit den Spitzen der Gesellschaft, zumindest mit denen, die sich in unserem Kaff dafür halten. Sie drehen das ganz große Rad – bilden sie sich ein. Und wenn Mirko jetzt noch Abgeordneter wird …«
    Â»Wart’s doch erst mal ab, wie er sich als Politiker so macht.«
    Doch Wally schnaubte verächtlich.
    Â»Glaubst du, der wird Politiker, weil er so ein Idealist ist und unsere Gesellschaft für alle lebenswerter gestalten will?«
    Wally schüttelte den Kopf und wurde immer aufgebrachter.
    Â»Dat kannste doch nich mit ansehen! Diese Hohlköppe kriegen den Hals nicht voll. Gier, das ist das Leitmotiv ihres Lebens, ansonsten ist da nur eine große Leere. Ich hab dieses Rattenrennen lange genug mitgemacht. Ich weiß, wovon ich spreche, und du wirst hoffentlich auch noch merken, dass ich recht habe.«
    Langsam wurden Marlene die wirren Schmähungen zu viel, die Wally immer lauter und mit finsterer Miene ausstieß. An den anderen Tischen sah man sich schon nach ihnen um. Der Frust über sein eigenes zerstörtes Leben machte Wally aggressiv, und die Schuld an seinem Scheitern schien er allen anderen zu geben, nur nicht sich selbst. Sie wollte diese unangenehme Unterhaltung lieber beenden. Doch er kam ihr zuvor. Schnell kippte er seinen zweiten Caffé Corretto und stand auf.
    Â»War nett, mit dir geplaudert zu haben, Prinzessin. Bis bald mal wieder. Moin!«
    Wally hatte immer schon einen Hang zum Zynismus gehabt, doch die Bitterkeit, die jetzt aus seinen Einlassungen durchschimmerte, dazu seine abstrusen Ansichten – für Marlene war der Jugendfreund zu einer tragischen Figur geworden. Sie sah ihm nach, wie er mit großen, leicht unsicheren Schritten quer über den Platz verschwand, und blieb in einer Mischung aus Mitleid und Verärgerung über den einst so geschätzten Wally allein zurück.
    Â»Na, wenn dat man keine Überraschung ist! Da sitzt die Marlene Deicke hier einfach so in Schwartau auf dem Markt rum!«
    Eine Frau strahlte sie an. Ihre hellblonden gelockten Haare standen um das gerötete Gesicht herum, offensichtlich ohne den Anspruch auf eine Frisur zu erheben. Die massige Figur hatte sie in Jeans und T-Shirt gequetscht, sie trug einen geräumigen Rucksack, und die Füße steckten in bequemen Sandalen.
    Â»Wie lange ist das jetzt her?«
    Marlene lächelte etwas verunsichert.
    Â»Ach, ich will’s lieber nicht wissen. So alt sind wir doch noch gar nicht, oder?«, sagte die Blonde lachend, und während Marlene immer noch überlegte, wen sie da vor sich hatte, ergriff die andere ihre Hand.
    Â»Ich bin’s, Sandra, Sandra ehemals Klatt. Wir haben zusammen die Schulbank gedrückt.«
    Â»Natürlich, Sandra! Entschuldige, dass ich dich nicht gleich erkannt habe, es ist wirklich ewig her …«
    Sie schüttelten sich die Hände, und mit einem beredten Blick auf ihre Figur meinte Sandra:
    Â»Du brauchst dich nicht entschuldigen, Marlene. Ich weiß selbst, dass ich nicht mehr das zarte blonde Engelchen von damals bin. Darf ich?«
    Â»Bitte! Aber ich hab leider nur noch wenig Zeit.«
    Sandra nahm den Rucksack ab und ließ sich mit einem Seufzer auf den Kaffeehausstuhl fallen.
    Â»Puh. Ich hab auch nicht viel Zeit. Aber wenn wir uns nach all den Jahren über den Weg laufen, da müssen wir doch mal schnacken! Bleibst du noch länger? Können wir uns mal sehen? Ich bin ja so neugierig, was aus dir geworden ist. Toll siehst du aus!«
    Die stille Sandra, die Marlene immer so auf den Keks gegangen war, mit ihrer Neigung zu Kompromissen, dem Wunsch, nirgendwo anzuecken, und dem Zögern, sich irgendeiner Aktion gegen die Lehrer

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