Unglückskeks - Angermüllers achter Fall
unermüdlich am Wok werkelte und ein gefährlich aussehendes Küchenbeil für die unterschiedlichsten Arbeiten benutzte. Er hackte damit blitzschnell das Gemüse, schnitt das Fleisch in perfekte Würfel, zerquetschte den Knoblauch und presste den Saft aus der Ingwerknolle. Ein paar Platten und Schüsseln mit unterschiedlichen Gerichten hatte er bereits in die Mitte des Tisches gestellt. An jedem Platz wartete ein kleines Tellerchen, auf dem Stäbchen und Serviette lagen.
»Ja, also in China ist das so, hab ich gelernt: Alle Gerichte werden in die Mitte gestellt und jeder kann sich von jedem bedienen â¦Â«
»Wat? Mit den Dingern hier?«
Argwöhnisch betrachtete Jansen das ungewohnte Essbesteck.
»Meist gibt es mindestens so viele unterschiedliche Gerichte wie Personen am Tisch sitzen«, fuhr Anja-Lena fort, ohne sich von ihrem Kollegen stören zu lassen, »manchmal auch mehr. Wir sind heute acht Leute, und ihr bekommt zumindest acht verschiedene Gerichte zu kosten. Leider hab ich nicht so eine drehbare Platte für den Tisch und ihr müsst die Schüsseln bitte herumreichen. Guten Appetit jedenfalls!«
Endlich hatte der Koch sein Werk vollendet und brachte die letzte Platte mit dampfenden Köstlichkeiten zu Tisch. Erwartungsvoll musterte Angermüller die bunte Vielfalt. Seit seinem Heilbuttbrötchen am Mittag hatte er nichts mehr zu sich genommen und jetzt spürte er, wie hungrig er war.
»Kannst du vielleicht ein bisschen was zu den Gerichten sagen, Steven?«, bat Anja-Lena. Der junge Chinese nickte bereitwillig.
»Als Erstes haben wir hier gebratene Erdnüsse, ist kein richtiges Gericht, eher Snack. Einfach Erdnüsse mit schwarzem Essig und bisschen Sojasauce, pikant, ja. Und dann hier Di san xian, heiÃt âºDrei Schätzeâ¹ Gemüse. Einfach Aubergine, Kartoffel, Paprika, wie sagt man, herzhaft, ja? Bisschen mehr scharf aus der Sichuan Küche ist Hühnchen Kung Pao â¦Â«
»Vielleicht fangen wir einfach an und Steven erklärt uns dabei, was für Gerichte das sonst noch sind, sonst wird ja alles kalt«, lud Anja-Lena ihre Gäste ein.
Alle griffen sich die Stäbchen und bedienten sich ihrer mit unterschiedlicher Geschicklichkeit. Thomas Niemann schien den Umgang damit gewohnt, er hatte schon des Ãfteren Urlaub in Asien gemacht. Auch Nico war sehr geübt damit und erzählte, dass er asiatische Küche sowieso am liebsten mochte. Angermüller versuchte sich gleich am schwierigsten Teil, nämlich welche von den Erdnüssen zu angeln, was ihm nach einigen Versuchen auch gelang. Sie waren warm und schmeckten sehr würzig, ein ungewohnter Snack. Als Nächstes griff er nach einer Mischung aus Glasnudeln und einem Gemüse, das sich als fein geschnittener Chinakohl erwies, scharf gewürzt mit Chili und Ingwer und gleichzeitig leicht süÃlich.
»Und hier haben wir Mapo Tofu, auch Spezialität aus Südchina, bisschen scharf auch, mit Sichuan Pfeffer.«
Gewissenhaft kostete sich der Kriminalhauptkommissar durch die vielfältige Speisenpalette, und mit jedem Bissen wuchs seine Begeisterung. Keines der Gerichte schmeckte wie das andere. Jedes hatte seinen ganz eigenen Charakter. Mit den nicht sehr charaktervollen Fleisch-Gemüse-Mischungen in qualliger Einheitssauce, die man meist in deutschen Chinarestaurants mit einem Berg Reis vorgesetzt bekam, hatte diese knackige, frische Küche rein gar nichts zu tun. Sichuan Pfeffer, warum hatte er dieses intensive, faszinierende Gewürz bislang noch nie benutzt? Neue Geschmacksrichtungen zu entdecken, war die Leidenschaft des Kommissars, und der konnte er hier nachgehen wie schon lange nicht mehr.
Angermüller warf einen beglückten Blick zu Jansen, der ihm gegenübersaÃ. Doch der Kollege pickte nur unlustig in den Schüsseln herum. Auch schien er mit dem ungewohnten Essbesteck seine Schwierigkeiten zu haben.
»Steven, kannst du Claus bitte mal zeigen, wie man die Stäbchen richtig hält? Der Kollege soll doch nicht hungrig nach Hause gehen«, meinte Anja-Lena leicht belustigt und erntete dafür von Jansen einen grimmigen Blick.
»Danke, danke, geht schon. Hab sowieso kaum Hunger.«
Vor allem war ihm auf dieser Tafel wahrscheinlich alles zu fremd und unbekannt, dachte Angermüller. Er wusste um Jansens Essgewohnheiten, die sich zwischen Hausmannskost, die er immer sonntags bei seiner Mutter vorgesetzt bekam,
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