Unglückskeks - Angermüllers achter Fall
sie ohnehin aus.
Marlene räumte den Tisch ab und brachte für Sophie ein paar Zeitschriften mit nach drauÃen, während sie es sich mit ihrem Buch im Liegestuhl in der milden Sonne des frühen Abends bequem machte. Einen nicht zu unterschätzenden Vorteil hatte dieser unvorhergesehene Landaufenthalt jedenfalls: Sie hatte in den vergangenen Wochen schon einen ganzen Stapel Bücher durchgelesen. In Berlin fehlte ihr meist die MuÃe dazu. Sie hatte dort in den letzten Monaten vor dem Einschlafen meist nur wenige Seiten geschafft, bevor ihr die Augen zufielen.
Nach Sophies Untersuchungstermin in der Klinik war der Nachmittag ganz angenehm verlaufen. Sophie schien ihre bösen Erlebnisse der letzten Tage zumindest verdrängt zu haben und wirkte seit langer Zeit wieder einmal entspannt und fröhlich. Angesichts des schönen Wetters bekam Marlene Lust, am Abend noch etwas zu unternehmen.
»Sag mal, wollen wir ans Meer fahren, ein bisschen spazieren gehen und irgendwo was essen? Auch ohne Rollstuhl, wenn dir das lieber ist.«
Im Gegensatz zu früher besuchte Sophie, seit sie ihre Sprache verloren hatte, gerne Orte, wo etwas los war. Also schob Marlene den Rollstuhl, den Sophie nun doch hatte benutzen wollen, über die erst vor Kurzem angelegte mehrere Kilometer lange Dünenpromenade in Scharbeutz. Hier gab es ein reges Treiben, das man beobachten konnte, und Sophie, hinter ihrer Sonnenbrille, tat das mit Hingabe. Ab und zu machte sie Marlene auf ihre Beobachtungen aufmerksam, denn beobachten konnte Sophie sehr genau, und auf diese Weise war zumindest für nonverbale Kommunikation zwischen ihnen gesorgt.
Marlene hätte einen ruhigeren Ort vorgezogen, doch sie tat Sophie den Gefallen, die in Scharbeutz reichlich Futter für die Augen fand: Strand, Meer, sportliche Aktivitäten, Cafés, Lounges, Restaurants, in denen auch an diesem Dienstagabend erstaunlich viel los war. Nach einer sehr durchwachsenen Saison bescherte der sonnenreiche September der Lübecker Bucht in diesem Jahr noch einen verspäteten Sommer. Die Lage direkt oberhalb des Strandes, auf dem die Strandkörbe akkurat zur Sonne ausgerichtet standen, der Weg dekorativ vom Dünengras gerahmt, machte die Flaniermeile zu einem attraktiven Anziehungspunkt für Jung und Alt.
Händchen haltende Urlauberpärchen, jugendlich gestylte ältere Damen, oft mit zu blonden Haaren und zu braunem Teint, entspannte Rentner im maritim-sportlichen Einheitslook, Leute in Badekleidung und Flipflops bevölkerten die Terrassen der angesagten Strandbars und Cafés, räkelten sich auf den Loungesofas, tranken Hugo und Aperol Sprizz. An Stehtischen beugten sich Männer in Yachtkleidung mit wettergegerbten Gesichtern über ihr Bier und feuerten Lachsalven über die Promenade. Andere Leute aÃen Fisch und Scampi am Ableger einer deutschlandweit verbreiteten Edel-Fischbude, saÃen in dem Café, wo man sehen und gesehen werden wollte, und alle genossen das Gefühl, es mindestens so schick wie auf Sylt zu haben.
Auch Sophie und Marlene nahmen in einer Beach Bar Platz, wo sie zwei alkoholfreie Hugos orderten. Während Marlene den Blick über die Lübecker Bucht schweifen lieÃ, wo am Horizont eine Fähre vorüberzog, davor vereinzelte Segelyachten kreuzten und Motorboote ihre Runden drehten, genoss Sophie die bunte Betriebsamkeit der Dünenmeile.
»Was magst du essen, Schatz? Hast du auf was Bestimmtes Appetit?«
Marlene zählte einige der Möglichkeiten auf, doch Sophie war unentschlossen. Die groÃe Auswahl überforderte sie. Marlene war eher skeptisch, was die Qualität des bunten Gastronomieangebots anbetraf. Also zogen sie nach ihrem Cocktail langsam die Promenade entlang und Marlene studierte die Speisekarten. In Höhe einer Bierbar hörte sie plötzlich eine unverwechselbare Lache und dann sah sie ihn auch schon. WeiÃe Hose, weiÃes Hemd über dem mächtigen Bauch â Alex war wohl direkt aus seiner Praxis in den Feierabend gestartet. Es war zu spät, ihm aus dem Weg zu gehen. Er stutzte kurz, dann winkte er lebhaft, sagte etwas zu seinem Gegenüber und kam direkt auf sie zu.
»Moin! Wat dat nich ahlns givvt: Wir haben grade von dir gesprochen!«
»Hallo Alex! Wer wir ?«, fragte Marlene nicht sehr begeistert.
»Komm mit. Ich glaube, du kennst ihn.«
Nur einen flüchtigen Seitenblick hatte Alex für Sophie in ihrem Rollstuhl
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