Ungnade: Thriller (German Edition)
Hallo, Becky.« Seine Stimme klang verschlafen.
Niemand meldete sich, doch im Hintergrund waren Geräusche und auch entfernte Sirenen zu hören.
» Becky?«, fragte er unruhig.
» Was?«, erklang ihre Stimme. » Oh, Logan. Tut mir leid.«
» Was ist bei dir los?«, fragte er. » Wo bist du?«
» Im Southern General.«
» Im Krankenhaus?« Er merkte, dass seine Stimme schrill geworden war.
» Ja, aber mir geht’s gut. Was ich sagen will– ich bin nicht meinetwegen hier.«
Sie hörte sich an, als wäre sie nicht ganz bei der Sache. Außerdem ging es ihm gegen den Strich, dass sie zwischendurch plötzlich mit jemand anderem zu reden schien. Er konnte nicht einmal verstehen, was sie sagte. Es hörte sich an, als hielte sie die Hand über das Mikrofon.
» Becky?«
» Entschuldige, Logan. Himmel, hier herrscht das reinste Chaos. Du würdest es nicht glauben. Irgend so ein Doktor hat mir gerade erklärt, ich müsste mein Handy ausmachen, weil es Funkstörungen bei ihren Geräten verursacht, aber ich halte das für ausgemachten Quatsch.«
Logan vermutete, dass sie entweder high vor lauter Adrenalin oder beschwipst war. » Was ist denn los?«, wollte er wissen.
Einen Herzschlag lang sagte sie nichts. » Hast du denn keine Nachrichten geguckt?«, fragte sie dann.
» Nein. Wir haben Jools gesehen und sind anschließend schlafen gegangen. Du hast mich geweckt, wenn du’s genau wissen willst.«
» Bei dem Konzert hat es einen Unfall gegeben. Unter den Zuschauern ist Panik ausgebrochen, einige von ihnen sind verletzt worden.«
» Aber dir ist nichts passiert?«
» Nein, mir geht’s gut.«
Er spürte, wie die Anspannung in ihm nachließ. » Und was hat die Panik ausgelöst?«, fragte er.
» Es war Roddy. Er ist von der Bühne gefallen.«
Einen Augenblick lang konnte Logan mit dem Namen nichts anfangen, bis ihm einfiel, dass sie Roddy Hale meinte, den Sänger der Band– und ihren früheren Freund. Er hasste sich dafür, dass seine Eifersucht ihm einen Stich ins Herz versetzte, weil sie seinen Namen mit solcher Selbstverständlichkeit ausgesprochen hatte.
» Aber warum bist du jetzt im Krankenhaus? Ist Hannah etwas zugestoßen?«
» Nein, sie ist nach Hause gefahren.«
Becky schien mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein. Er hatte noch immer keine Ahnung, was sie in dem Krankenhaus eigentlich wollte.
» Oh«, sagte Becky. » Sie lassen mich jetzt zu ihm, aber vorher wollen sie mir das Handy abnehmen, wenn ich es nicht ausschalte. Ich rufe dich morgen früh an, hörst du? Geh jetzt wieder ins Bett.«
» Zu wem lassen sie dich?«
» Zu Roddy. Nacht, Logan.«
Logan stand da und starrte sein Mobiltelefon an. Er wusste nicht, was er von dem Gespräch halten sollte, aber eine andere Sache war ihm klar geworden– dass seine Empfindungen für Rebecca stärker waren, als er vor sich selbst zugeben wollte. Wie sonst sollte er erklären, dass sich sein Magen zu einem Knoten zusammenzog?
Dann fiel ihm wieder ein, was Becky gesagt hatte, und er schaltete den Nachrichtenkanal der BBC ein. Er sah gerade noch das Ende einer Reportage über die Ereignisse auf dem Konzert– und Rebecca, die vor dem Krankenhaus stand.
Er ließ die Fernbedienung auf die Couch fallen– und sich selbst gleich mit. Dann starrte er den Bildschirm an.
11
Auf dem Korridor, von dem das Zimmer abging, in dem Roddy Hale lag, wurde es angesichts des Krankenhauspersonals, der übrigen Bandmitglieder, die diverse Manager und persönliche Assistenten mitgebracht hatten, sowie der zwei uniformierten Polizisten, die eine gewisse Ordnung herzustellen versuchten, langsam eng. Beim Eintreffen der beiden Beamten hatte Rebecca sich ihnen gegenüber als Kollegin vorgestellt und sie gebeten, dafür zu sorgen, dass sich außer den Schwestern und Ärzten alle im Wartebereich der Eingangshalle aufhielten; doch das war mittlerweile drei Stunden her, und inzwischen waren noch sehr viel mehr Besucher hinzugekommen, unter ihnen auch die Frau, die nach Roddys Sturz von der Bühne gesprungen war, um bei ihm zu sein. Sie stand auf dem Flur und nahm ab und zu kleine Schlucke aus einem Becher mit stark aussehendem Krankenhauskaffee.
» Sind Sie so weit?«, wurde Rebecca jetzt von einer Schwester gefragt, die sich gleich nach Roddys Eintreffen um seine Verletzungen gekümmert hatte. Sie war kaum größer als eins fünfzig, trug einen blauen Krankenhauskittel, und um ihren Hals baumelte eine Atemschutzmaske. Ihr Kittel war mit blutigen Spritzern übersät, die auf
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